Blutiger Frühling
den Segen der Kirche.«
»Drauf setz ich meine ganze Hoffnung.« Matthias sah den Reiter mit müden Augen an. »Aber Ihr ... wie könnt Ihr so sicher sein? Wer seid Ihr?«
Anna Elisabeth mischte sich ein. »Er ist Albrecht Hund aus Schwarzental«, antwortete sie für den Reiter. »Er behauptet, er hat diesen Doktor Luther schon selbst gesehen. Ist es nicht so?«
Sie heftete den Blick forschend auf das Gesicht des Reiters. Doch der verzog keine Miene. »Ja, ich habe ihn predigen gehört und seine Schriften gelesen«, sagte er gelassen. »Was er sagt, das spricht mir aus der Seele – und vielen anderen ebenfalls.«
»Komm, Matthias«, wiederholte der Hausvater noch einmal und stand auf. Er zog den Unglücklichen am Arm mit sich zur Tür. »Was auch immer der Pfaffe heute gesagt hat – morgen wird er deine Toten nach Fug und Recht auf dem Gottesacker zur Ruhe betten. Mit allem, was dazu gehört. Und sollte er sich noch einmal weigern, seine Pflicht zu tun, dann zerre ich ihn persönlich aus seinem Betstübchen. Darauf kannst du dich verlassen!«
Matthias folgte ihm mit schleppenden Schritten. »Gottes Segen über dein Haus, Joseph«, murmelte er, als er mit seinem Nachbarn die Stube verließ.
Nun war Anna Elisabeth mit den Kindern und dem Fremden allein. Sie schickte den Michel hinaus, um Stroh zu holen, und der Junge, der den Reiter die ganze Zeit neugierig beobachtet hatte, ging widerwillig. Schneller als erwartet war er wieder da – mit einem riesigen Bündel, das er eilfertig neben dem Herd auseinander zerrte und zu einem Lager ausbreitete. »Gut so?«, wollte er anschließend wissen.
Anna Elisabeth kam seinem Wunsch nach Lob entgegen. Sie nickte. »Kannst es dir mit den Kleinen schon mal darauf gemütlich machen«, sagte sie. »Ich zeig dem Gast den Stall.«
Sie nahm eine Sturmlaterne, die in der Ecke neben der Kellertür auf dem Boden gestanden hatte, steckte ein neues Unschlittlicht hinein und zündete den Docht an. Dann winkte sie dem Reiter. »Wenn Ihr mir folgen wollt«, meinte sie knapp.
Der Reiter schulterte seinen Mantelsack und kam ihrer Aufforderung nach. Der Stall, ein Anbau hinter dem Haus, bot nur einen einzigen Raum, in dem jedoch kein Vieh zu stehen schien. An seinem hinteren Ende gab es lediglich einen Koben, der mehreren Schweinen zur Unterkunft diente. Vorn neben dem Eingang stand der große Falbe angebunden und rupfte gemächlich Heu aus einer Raufe.
Anna Elisabeth deutete auf eine Leiter, die zum Heuboden führte. »Da oben ist es recht gemütlich, wenn Ihr Euch ins Heu eingrabt«, sagte sie, plötzlich mit Verlegenheit in der Stimme. »Etwas Besseres kann ich Euch nicht bieten – selbst wenn ich möchte.«
Er lächelte. »Möchtet Ihr wirklich?«, fragte er leise.
Sie antwortete nicht. Mehrere Atemzüge lang herrschte Stille. Dann holte sie tief Luft. »Ich wünsche Euch eine ruhige Nacht«, sagte sie frostig. »Morgen früh schicke ich den Jungen, um Euch zu wecken.«
»Warum?«, wollte er wissen. »Glaubt Ihr, ich mache mich heimlich davon, ohne zu zahlen?«
Sie schnaufte. »Es ist Sitte bei uns«, erwiderte sie, »einen Gast nicht ohne Frühstück wieder auf die Reise zu schicken. Darum ... Herr Albrecht Hund aus Schwarzental.«
»Meinen Namen habt Ihr jedenfalls gut in Eurem Gedächtnis untergebracht«, sagte er lächelnd in der Dunkelheit.
Sie warf den Kopf zurück. Hastig stellte sie die Sturmlaterne hin und wollte gehen, doch ihr Schuh verfing sich in einem Strick, der am Boden lag. Sie strauchelte. Der Reiter fing sie gerade noch auf, bevor sie fallen konnte.
Er zog sie an sich. Für einen Augenblick lag sie an seinerBrust, und er spürte ihre Wärme durch den groben Stoff ihres Gewandes. Ihr Haar berührte seine Wange. Aus dem Ausschnitt ihres weißen Hemdes stieg ihr Geruch auf – ein Duft nach Kräutern und Wald und junger Haut. Sie atmete heftig. Aber lange hielt sie nicht still. Nur wenige schnelle Herzschläge, dann riss sie sich los und stürmte hinaus.
W ETTERLEUCHTEN
E s ging gegen Abend. Der große Falbe bewegte sich in gemächlichem Schritt den steilen Pfad hinauf. Sein Reiter saß vornübergebeugt, das Haar gegen den treibenden Nieselregen unter der grünen Filzgugel verborgen. Er schwankte mit den Bewegungen des Tieres, doch den Halt verlor er nicht. Nach einem vollen Tag im Sattel hatte ihn jetzt die Müdigkeit übermannt, und er döste mit geschlossenen Augen. Aber das war ungefährlich. Sein Pferd kannte den Weg.
Rechts und links vom Pfad stand
Weitere Kostenlose Bücher