Blutiger Frühling
sechstausend gezählt«, sagte der Wolf von Weißenstein. »Die und unsere Schwarzen folgen der Fahne noch. Die anderen ...«
»Ich hab’s verstanden«, sagte Florian Geyer zornig. »Diese Narren! Sie werden einfach niedergemacht, wenn sie es wagen, den Truppen des Schwäbischen Bundes in so kleiner Zahl entgegenzutreten – wissen das die so genannten Gewaltigen der Bauern denn nicht? Die aus dem Neckartal zählen doch nur noch sieben- oder achttausend Mann – wie wollen die gegen zehntausend ausgebildete Lanzknechte antreten?«
Albrecht Weißenstein zuckte die Achseln. »Wenn man Schweineheinz oder Pfeiferhänslein heißt«, sagte er geringschätzig, »wie soll man dann eine solche Lage überblicken, wie sie sich zurzeit bietet?«
»Verdammt«, knurrte der Geyer, »man hätte mir das alles früher melden müssen! Mit dem Götz hätte ich schon deutliche Worte geredet – und mit den so genannten Gewaltigen wäre ich auch fertig geworden. Es wäre mir ein Erzvergnügen gewesen, denen die Leviten zu lesen ... diesen ... diesen ...«
Ihm fiel kein passendes Schimpfwort ein. »Dummköpfe und aufgeblasene Schalksknechte allesamt«, half ihm der junge Reiter. »Es war ein Fehler, mit ihnen gemeinsame Sache zu machen.«
»Und ohne sie? Was hätten wir ohne sie für eine Chance gehabt?«, fuhr ihn der Geyer an. »Nur die große Zahl der Aufständischen konnte doch die Fürsten das Fürchten lehren. Und nun nimmt diese Zahl immer weiter ab ... bald werden wir allein gegen den Truchsess antreten müssen.«
»Und dann, Vetter?« Albrecht Wolf von Weißenstein sah seinen Freund mit ernsten Augen an. »Hat es überhaupt noch Sinn, den Kampf weiterzuführen, wenn die Bauern fahnenflüchtig werden?«
Der Geyer schüttelte den Kopf. »Nicht viel«, sagte er, »aber welche Wahl bleibt uns denn, Albrecht? Es geht nicht an, dass wir uns einer Sache verschreiben und dann daran verzagen. Nicht, ohne dass wir an uns selbst ehrlos werden.«
»Das meine ich auch«, sagte der junge Reiter in heftigem Ton.
Der Geyer hob den Kopf und warf ihm einen scharfen Blick zu. »Schweig, Grünschnabel«, befahl er ihm barsch. »Denk nach, bevor du redest!«
Der junge Reiter biss sich auf die Unterlippe. Er fühlte sich zu Unrecht gescholten. »Aber wir haben doch bis jetzt tapfer gekämpft«, murrte er. »Und das werden wir auch weiterhin tun, Hauptmann. Zähle auf uns!«
Florian Geyers Blick wurde milde. »Verzeiht mir, Hartmann«, erwiderte er in sanfterem Ton, »ich weiß, wie fest meineLeute zu mir stehen. Aber wenn’s ans Sterben geht, dann muss es mit dem Sinn seine Richtigkeit haben. Ich schicke keinen einzigen Mann in den Tod, der sich ohne Überzeugung bei meiner Fahne hält.«
Der junge Reiter reckte sich, schob das Kinn vor und nahm Haltung an. »Unsere Überzeugung wankt nicht, Hauptmann«, sagte er mit jugendlich fester Stimme. »Noch einmal – zählt auf uns. Wir folgen Euch unbeirrt – und wir wissen alle, warum!«
»Das ehrt euch«, murmelte Florian Geyer. »Gut, dass nicht alle den Glauben verloren haben.« Er schenkte dem jungen Reiter ein Lächeln. »Ihr könnt jetzt gehen, Hartmann. Erwartet meine Befehle noch vor Einbruch der Nacht.«
Der junge Reiter nahm noch einmal Haltung an, machte eine schwungvolle Verbeugung und verließ das Zelt. Als er fort war, sagte Albrecht: »Was tun wir, Vetter?«
Florian Geyer überlegte einen Augenblick. »Wir ziehen weiter«, sagte er dann, »aber nicht nach Krautheim – das hätte wenig Sinn, nach allem, was wir heute erfahren haben.«
»Wohin dann?«, wollte Albrecht wissen.
»Dem Feind entgegen«, erwiderte Florian Geyer, »und wir gehen bei Heidingsfeld in Stellung.«
Albrecht nickte. »Der Truchsess wird die abgesplitterten Haufen jagen«, sagte er dann. »Das macht mir Sorgen ...«
»Wohl wahr.« Florian Geyer stützte den Kopf in die Hand. »Aber er jagt ja auch uns schon seit Weinsberg. Ein Gutes nur, dass Ludwig Helfensteins junge Gemahlin gerettet wurde, samt ihrem kleinen Sohn.«
»Ach?« Albrecht horchte auf. »Ich dachte, sie seien alle umgekommen ... Gott gnade den Seelen derer, die von den Bauern ermordet wurden ...«
»Die Gräfin Helfenstein entkam auf einem Mistkarren«, murmelte Florian Geyer nachdenklich, »ein junger Kerl mitNamen Christoph brachte sie in Sicherheit. Er hat, soweit mir berichtet wurde, die Gräfin aus der brennenden Weibertreu und aus der besetzten Stadt hinausgeschmuggelt – unter Einsatz seines eigenen Lebens.«
»Ein mutiger
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