Blutiger Frühling
hatte, ebenfalls hinaus. Dann ließ sie sich an Albrechts Seite nieder. »Nun wirst du nicht mehr weggehen«, sagte sie mit einem tiefen Atemzug. »Du hast deine Pflicht getan und gehörst jetzt mir allein.«
Er hob den Kopf und lächelte schmerzlich. »Noch nicht, meine Liebste«, widersprach er ihr. »Wenn die Nacht sinkt, ziehen die restlichen Männer der Schwarzen Schar in ein neues Feldlager. Ich bin es den Gefallenen schuldig, bei der Fahne zu bleiben – denn ich lebe ja noch.«
»Ja, du lebst«, sagte Anna Elisabeth. »Und ich will, dass du am Leben bleibst. Auch mir bist du etwas schuldig, Albrecht!«
»Ich hab’s nicht vergessen, Abendstern.« Seine Augen glänzten, als er ihren Blick erwiderte. »Vertrau mir. Nur noch dieses eine Mal. Danach –«
»Vielleicht wird es kein Danach mehr geben, Albrecht!« Ihre Kehle schnürte sich schmerzhaft zusammen, und ein Schluchzen, das tief in ihrer Brust gesessen hatte, brach sich jetzt Bahn. »Wenn du mich liebst, dann gehst du nicht von mir«, sagte sie. »Wenn du mich liebst, dann –«
Er hinderte sie am Weitersprechen. »Oh ja – ich liebe dich«, sagte er, »und viel mehr, als ich dir sagen kann. Aber es gibt noch etwas, ohne das ich nicht leben kann – meine Ehre, Anna.
Die würde ich verlieren, wenn ich Florian Geyer jetzt im Stich ließe.«
Sie schwieg darauf. Sie hatte auch ohne weitere Erklärungen verstanden, dass er seinen Sinn nicht ändern würde. Nach einem langen Augenblick fragte sie tonlos: »Wann also? Wann wirst du gehen, mein Liebster?«
»Noch heute, Anna.«
»Wie viel Zeit bleibt uns, um Abschied zu nehmen?«
»Bis zum Sonnenuntergang. Aber es ist ja kein Abschied – nur ein Lebewohl auf kurze Zeit.« Er streckte die Arme nach ihr aus. »Ich möchte, dass du hier bleibst und auf mich wartest, meine wilde Rose. Hier bist du einigermaßen sicher, und das mildert meine Sorge um dich. Wenn ich wiederkomme –«
»Wenn du wiederkommst ...« Ein zweiter Schluchzer brach aus ihr hervor. »Wenn du wiederkommst, lasse ich dich nie mehr fort«, vollendete sie ihren Satz, »und niemandem werde ich es mehr gestatten, dich von meiner Seite zu reißen – nicht einmal deiner verdammen Ehre!«
W as soll das heißen – er ist geflohen?« Florian Geyer, gewappnet und vom langen Ritt noch schmutzverschmiert, schlug mit der Faust auf den Tisch, dass der zinnerne Becher vor ihm tanzte und dann umstürzte. »Könnt Ihr mir nicht einmal erschöpfend Auskunft geben, Mann?«
Der junge Reiter, der Meldung gemacht hatte, senkte verlegen den Kopf. Sein langes, regennasses Haar fiel ihm in glänzenden Schlangen über die Brust. »Er ist auf und davon, Hauptmann«, setzte er zögernd hinzu, »und er hat seine Leute mitgenommen.«
»Das kann nicht sein«, donnerte Florian Geyer. »Der Berlichingen war immer ein verlässlicher Kampfgefährte, und –«
»Verzeiht, Hauptmann«, fiel ihm der junge Reiter in die Zornesrede, »aber er war doch nie mit dem Herzen bei unserer Sache. Man hat ihn gezwungen, und deshalb ist er nun ... ausgeschieden ...«
»Aber er hatte auf unsere Fahne geschworen!« An Florian Geyers Stirn schwoll eine Ader. »Wie konnte er einen heiligen Eid schwören und ihn dann brechen? Das ist gegen alles, was Ehre heißt!«
»Dennoch hat er es getan.« Albrecht Wolf von Weißensteinwar im Zelteingang erschienen und bestätigte die unglaubliche Botschaft des jungen Reiters. »Er hat die günstige Gelegenheit genutzt und sich davongemacht, samt seinen Reisigen. Die Ratten verlassen das sinkende Schiff, Vetter – daran gibt’s nichts zu deuteln.«
Florian Geyer ballte seine gepanzerte Rechte noch einmal. »Zum Teufel«, knurrte er, »alles hätte ich dem Götz zugetraut – nur das nicht. Und wie haben es die anderen aufgenommen?«
»Welche anderen?«, erwiderte der junge Reiter. »Überall zerstreuen sich die Haufen ... die vom Neckartal haben es dem Berlichingen gleichgetan und sind über alle Berge. Steht also zu befürchten, dass die Kerle aus dem Kraichgau ihnen auch bald folgen werden. ›Immer noch besser, sich zu Hause zu verkriechen, als vom Truchsess abgeschlachtet zu werden‹, hab ich einen aus Georg Metzlers Haufen sagen hören.«
Der Hauptmann der Schwarzen Schar hob die Linke, die bereits ohne Panzerhandschuh war, an die Stirn und wischte sich Schmutz und Schweiß ab. »Und wir sind noch nicht einmal in Krautheim angekommen«, stöhnte er. »Was soll das werden?«
»Auf dem Marsch haben wir an die
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