Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
müde »Danke. Ich komme darauf zurück. Fragen Sie ihn bitte nach seinen Familienverhältnissen!«
»Mein Klient lebt leider in einem reinen Männerhaushalt und bedauert das sehr«, meinte die Dolmetscherin nach einer gestenreichen Erklärung Corteses. »Er ist früh verwitwet und musste seine beiden Söhne alleine großziehen. Mario und Mauro sind Zwillinge. Während Mauro in Kalabrien lebt und das Geschäft von dort aus betreibt, zieht Mario hier die Fäden.«
Nicht schlecht, dachte Fabian. Der Alte hatte sein Geschäft früh genug übergeben, um selbst noch ein paar Jahre lang von seinem Vermögen zu leben. »Und was genau macht er jetzt?«, fragte er.
Cortese berichtete, die Dolmetscherin hörte zu und übersetzte dann. »Er sagt, er sei auf das Weingut seines Vaters zurückgekehrt und versuche während einiger Monate im Jahr, den Weinberg zu rekultivieren, der einige Jahrzehnte lang brachgelegen hat. Den Rest des Jahres schaut er seinen Jungs auf die Finger.«
Fabian nickte. Außer seinem Neffen hatte Alberto Cortese anscheinend alles im Griff. Er fragte sich, ob er nicht tief in seinem Inneren daran verzweifelte, dass sich Alessio nicht fügen wollte.
»Erkundigen Sie sich bitte nach seinem Bruder und dessen Familie«, forderte er die Dolmetscherin auf, die ihrem Klienten daraufhin eine ganze Weile zuhören musste.
»Cortese hatte kaum Kontakt zu seinem Bruder«, meinte sie dann. »Der hatte sich von allen familiären Verpflichtungen gelöst, war nur noch mit seiner Ehe beschäftigt.« Missbilligend zog sie die Augenbrauen hoch und gab gleich einen Kommentar dazu ab. »Das ist sehr ungewöhnlich für einen Italiener, denn die Familie wird immer und überall großgeschrieben.«
Fabian erfuhr, dass die Römerin Laura, seine Schwägerin, die Schuld daran trug. Sie hätte ihren Mann von seiner Verwandtschaft entfremdet. Ein neuer Kontakt sei dann über Corteses zweiten Neffen Corrado entstanden, Giorgio Corteses unehelichen Sohn, der die Nähe zu seinem leiblichen Vater gesucht hätte. »Auch wenn Giorgio Cortese ein Trinker war und herzkrank«, betonte Martelli. »Corrado erinnerte ihn an seine Verpflichtungen der Familie gegenüber, und er lenkte ein.«
Fabian nickte. Das Gerede von der Familienehre konnte sie sich sparen.
»Und Alessio?«, fragte er. Jetzt brauchte die Dolmetscherin die Frage nicht mehr zu übersetzen. Cortese hatte verstanden und überschüttete sie mit einer italienischen Redeflut, nach der sie sich erschöpft eine Haarsträhne aus dem Gesicht pustete.
»Madonna!«, sagte sie. »Ich gebe Ihnen einfach mal wieder, was er gesagt hat, auch wenn ich anderer Meinung bin. Cortese hat mir lang und breit erklärt, dass die Mutter den Jungen zu weich erzogen habe. Und wenn der Vater seinen Verpflichtungen nachkommen und ihn züchtigen wollte, sei sie ihm in den Rücken gefallen. Cortese sagt, dass man einen Jungen formen müsse wie ein ungebackenes Brot, damit ein Mann aus ihm wird. Das Erste, was er lernen müsse, sei Gehorsam und Respekt. Bei Alessio wurde das alles versäumt. Er sei verdorben, und mein Klient weiß nicht, ob man ihn auf den rechten Weg zurückführen kann.«
»Dann meint er wohl, Alessio sei zu wenig geschlagen worden«, sagte Fabian beiläufig, und sein unfreiwilliges Mitleid mit dem Jungen, der als Zankapfel zwischen seinen Eltern gestanden hatte, vertiefte sich. »Dafür konnte er am Samstag in Stuttgart aber ganz gut austeilen.«
Cortese hob den Kopf und blickte ihn interessiert an. Fabian fragte sich, ob er ihn wirklich so schlecht verstand, wie er vorgab. Wenn nicht, warum tat er sich und ihm dann die Zeitverschwendung mit der Dolmetscherin an?
»Frau Martelli«, sagte er zum Abschluss. »Geben Sie bitte die Frage weiter, warum einige junge Männer zwei Computer aus der Mettinger Wohnung entfernt haben! Darüber weiß er doch sicher Bescheid.«
Cortese erklärte die Sachlage, zuckte gleichmütig die Schultern und setzte wieder sein Pokerface auf.
»Der Rechner seiner Schwägerin war kaputt«, sagte die Signora. »Und Alessio – der wollte einen neuen. Signor Cortese hat die gebrauchten Teile nach Italien geschafft, um sie dort zu verkaufen.«
Fabian nahm die Aussage zur Kenntnis. Komplett erlogen , dachte er. Irgendein Geheimnis war auf den Rechnern der Corteses verborgen, das nicht an die Öffentlichkeit gelangen sollte. Auf dem Anmeldebogen war eine Adresse in Aichwald notiert, und er fragte sich, ob die Beweislage eine Hausdurchsuchung rechtfertigen
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