Blutiger Regen: Leonie Hausmann ermittelt im Schwäbischen (German Edition)
Sie hat ihm die Hälfte vom Kopf weggeblasen, das Projektil ist seitlich ausgetreten und wurde bisher nicht gefunden. Die Hülse komischerweise auch nicht.«
Fabian schüttete ungeduldig den Kopf. »An ihrer Schuld gibt’s überhaupt keinen Zweifel. Sie hat den Mord gestern quasi gestanden. Aber was mich interessieren würde, wäre die Frage nach dem Warum. Warum bringt sie Ölnhausen um, der doch ihr Wohltäter war?«
»Frag mich was Leichteres!«, sagte Keller. »Manche Menschen ersticken an ihrem Leben. Vielleicht hatte der Alte perverse Vorlieben. Die KTU hat am Kopfende des Doppelbetts Handschellen gefunden. Vielleicht wurde der goldene Käfig unserem Vögelchen zu eng, und sie wollte fliegen. Vielleicht hatte sie einfach Heimweh, wie die polnischen Pflegerinnen, die zu Hause ihre Familie ernähren. Nur dass ihre Pflege ein bisschen … anders war.«
Stirnrunzelnd kramte Fabian weiter in seiner Schublade. Noch immer war die Schokoladentafel unauffindbar.
»Du isst sowieso zu viel von dem Zeug«, brummte Keller. »Ich glaube, Rena hat sie dir geklaut und damit ein gutes Werk getan.«
»Wie bitte?«
Rena war die junge Praktikantin von der Polizeihochschule, mit der Fabian hin und wieder mittags in die Kantine gegangen war und die er auch sonst recht sympathisch fand.
»Sie hat einen Jungen belohnt, der eine Fahrerflucht nach Blechschaden an einem parkenden Auto angezeigt hat. Der Kleine hatte sich tatsächlich das Kennzeichen gemerkt.«
»Mit meiner Noisette!« Entrüstet schüttelte Fabian den Kopf.
»Du wirst es überleben.«
»Aber statt rumzujammern, könntest du mir lieber mal erzählen, was du über den Nachbarn deiner Eltern weißt. Was war er für ein Mensch? Heute Nachmittag habe ich übrigens deine Mutter einbestellt.« Erwartungsvoll beugte sich Keller vor und stützte seine Arme auf dem Schreibtisch ab.
Fabian verdrehte die Augen. Auch das noch!
So genau wie möglich schilderte er seinem Vorgesetzten die Schüsse und die Auffindung der Leiche. Die Frage nach der Person Peter Ölnhausen war da schon schwieriger zu beantworten.
»Ölnhausen hat vier Jahre nach meinen Eltern gebaut«, begann Fabian und schreckte auf, als sich die Tür öffnete. Herein trat Rena, warf ihre braunen Locken über die Schulter und schwenkte eine Bäckertüte. »Ein Nougatkringel für unseren Macho.«
Fabian griff nach der raschelnden Tüte. »Ich hatte dich schon für eine schnöde Diebin gehalten. Aber unter diesen Umständen will ich noch mal gnädig sein.«
»Wo steckst du das bloß alles hin?«, begann Rena neidisch. »Wenn ich so viele Süßigkeiten wie du essen würde, wäre ich bald so fett wie ein Hefekloß kurz vorm Abbacken.«
»Künstlerglück«, sagte Fabian mit vollem Mund. Der Nougatkringel zerfiel aufs Köstlichste auf seiner Zunge.
»Noch passt’s ja«, meinte Keller tröstend und musterte Renas Po, der in ihrer Jeans knackig aussah.
»Schau woanders hin, oder du lernst mich kennen!«, drohte sie.
»Und was gibt es Neues von unserer Diva?«, lenkte Keller ein.
»Sie sagt immer noch nichts. Aber die Überprüfung hat ergeben, dass sie Milena Donakova heißt und aus St. Petersburg stammt. Ihr Pass scheint echt zu sein. Jahrgang 1980. Sie hat einen Sohn, dem sie regelmäßig Geld zukommen lässt. Der Kleine wächst bei ihrer Mutter auf.«
Fabian zog ein zerfleddertes Taschentuch aus seiner Hosentasche und putzte sich die Finger ab. »Grund genug, um sich von seinem Arbeitgeber abhängiger zu machen, als man ursprünglich wollte.«
Rena setzte sich rittlings auf einen Stuhl. »Sag mal, stimmt es, dass Ölnhausen einer der wenigen Esslinger Millionäre war?«
Fabian nickte zögernd. »Ölnhausen eilt ein gewisser Ruf voraus, aber was davon stimmt, lässt sich schwer festmachen. Keiner kannte ihn richtig. Bei ihm gab es keine Geburtstagspartys mit Sekt und Bowle. Er war der typische übergewichtige Endfünfziger mit Goldkettchen und Rolex, der am Samstag sein Mercedescabrio polierte und ansonsten nichts über sich rausließ. Aber das kann euch meine Mutter alles viel genauer erklären.« Hoffentlich musste er ihre Zeugenaussage nicht auch noch aufnehmen.
»Liegt das vielleicht daran, dass es keine Frau Ölnhausen gibt?«, fragte Rena. »Für nachbarschaftliche Kontakte sind doch meistens die Frauen zuständig. Und auch dafür, dass Endfünfziger mit Glatze nicht mit Goldkettchen rumlaufen.«
»Frauen gab es schon«, meinte Fabian. »Aber sie haben gewechselt. Er teilte seine Villa immer
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