Blutiger Sand
meisten wurden nach Tieren benannt.
„Der sieht wirklich nicht wie eine Taube aus. Und der dort drüben besitzt auch keine Ähnlichkeit mit einem Adler“, meckert Orlando.
Ich gebe zu, dass es enormer Fantasie bedarf, diese Namensgebung nachvollziehen zu können.
Kaum ist die Sonne am Horizont verschwunden, drängt Orlando zum Aufbruch.
Schweigend fahren wir zurück zum Parkeingang.
Als das Lichtermeer von Las Vegas vor uns auftaucht, ist es bereits halb acht Uhr abends. Kolonnenverkehr auf dem Highway und dann steht plötzlich alles still. Nichts geht mehr auf der dreispurigen Autobahn.
„Für diese eine Nacht müsst ihr euch nicht extra ein Hotel suchen. Ihr könnt gern bei mir übernachten“, sagt Simon, als wir endlich gegen zweiundzwanzig Uhr die City erreichen.
Orlando nimmt die Einladung freudig an.
Auch ich bin erleichtert. Nach der fast schlaflosen Nacht im Death Valley und der anstrengenden Rückfahrt habe ich keine Lust mehr, auf Zimmersuche zu gehen.
„Esst ihr gern Chinesisch?“
Wir nicken beide.
Simon hält bei einem chinesischen Take-away, das von außen nicht sehr einladend aussieht.
Er bemerkt mein Zögern.
„Das Zeug ist essbar“, sagt er.
Ich folge ihm in das Lokal.
Orlando bleibt im Wagen sitzen. „Du weißt eh, was ich mag“, sagt er.
Der Chinese ist ein Japaner. Geschmackvoll eingerichtet in dunkelrot und schwarz, mit niedrigen Tischchen und bequemen Sitzpolstern.
Ich entscheide mich für Sashimi und Sushi, von jedem etwas, und eine extra Portion Maki mit Gemüse. Irgendwas davon wird Orlando schon essen.
Detective Hunter wohnt in einem der neuen Hochhäuser nicht weit vom Stratosphere Tower. Er parkt seinen Wagen in der Tiefgarage.
„Ich wohne im vierzehnten Stock, der eigentlich der dreizehnte ist. Aber diese Unglückszahl vermeiden wir abergläubischen Amerikaner lieber.“
Im Lift erzählt er uns, dass er oft Besuch von seinen Verwandten väterlicherseits aus Nebraska bekomme. „Besonders meine Neffen sind ganz wild auf Las Vegas.“
Als wir in seiner Wohnung angelangt sind, wird mir nach einem Blick aus seinem großen Fenster im Wohnzimmer schwindlig.
„Fantastisch“, kreischt Orlando, der mit der Nase an der Scheibe klebt. „Du siehst den ganzen Strip und die Berge. Komm her, Kafka.“
Ich halte Respektabstand.
Simons Wohnung ist sehr einfach, ja fast karg eingerichtet. Sie gehört ihm nicht. Er hat sie nach seiner Scheidung von einem wohlhabenden Freund, einem Anwalt, gemietet.
Wir setzen uns in die geräumige Küche. Simon öffnet eine Flasche kalifornischen Wein und wir stürzen uns auf die kleinen, mit rohem Fisch umwickelten Reisbällchen. Auch Orlando langt kräftig zu.
Nach dem Essen machen wir es uns auf den beiden Sofas in Simons Wohnzimmer bequem. Die Aussicht über die Stadt ist hinreißend. Ich habe noch nie eine so hell beleuchtete Stadt gesehen wie Las Vegas und kann meinen Blick kaum mehr vom Fenster wenden. Dennoch komme ich wieder auf unsere Reiseroute zu sprechen.
„Seid vorsichtig, haltet euch vor allem an die Geschwindigkeitsbeschränkungen“, sagt Simon und zwinkert mir zu.
„Tratschweib“, fauche ich Orlando an. Offensichtlich hat er Simon von unserer Begegnung mit der Highway Patrol erzählt.
„Ich meine es ernst. In Arizona haben sie vor einigen Jahren ein übles Gesetz verabschiedet. Es erlaubt der Polizei, Leute zu überprüfen, die wie Einwanderer aussehen, also dunkelhäutig sind, schlecht gekleidet oder was auch immer … Du bist sehr dunkel. Trotz deiner roten Haare könnten sie dich für eine Mexikanerin halten. Also Vorsicht. Sie gehen mit den sogenannten Verdächtigen nicht gerade zimperlich um. Es gab schon einige Tote.“
„Ich habe auf MSNBC gehört, dass gerade über eine Aufhebung dieses menschenverachtenden Gesetzes diskutiert wird.“
„Diskutiert ja. Aber was in Phoenix oder Washington diskutiert wird, darum scheren sich diese Typen nicht.“
„Faschistoides Pack“, sage ich.
„Ihr werdet durch einige Reservate kommen. Auch dort solltet ihr vorsichtig sein. Aus anderen Gründen. Manche Indianer haben die neugierigen Touristen ziemlich satt. Vor allem die jungen arbeitslosen Burschen. Sie tun ihnen zwar nichts, können aber ein bisschen lästig werden.“
„Erzähl uns von den Stämmen, durch deren Land wir fahren werden. Ich will mit den Leuten dort reden“, bitte ich ihn.
Er versorgt sich selbst und uns mit Wein, bietet mir eine von seinen Zigaretten an und hält uns einen kleinen
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