Blutiger Sand
einem kunstvollen Muster.
„Das ist eine Navajo-Decke“, sage ich.
„So eine kauf ich mir.“
„Unbezahlbar.“
„Quatsch. Simon verschafft mir sicher eine um einen guten Preis.“ Orlando sagt es so laut, dass Simon, der sich gerade im Bad befindet, seine Worte hört.
„Du kannst sie haben. Ich schenk sie dir.“
„Der steht auf mich“, flüstert Orlando.
Du irrst dich, mein Freund, denke ich.
Mein Sofa ist ziemlich durchgelegen. Beinahe bereue ich es, Simons Angebot, sein bequemes Bett mit ihm zu teilen, abgelehnt zu haben.
9.
Zion National Park, Utah, April 2012
Wir verlassen die Wohnung um acht Uhr morgens gemeinsam mit Simon.
Er bringt uns zu dem Autohändler, bei dem wir das Mazda Cabrio gemietet haben.
Zu dieser frühen Stunde ist selbst in Las Vegas nicht viel los. Die Casinos haben rund um die Uhr geöffnet. Ein paar Verlierer torkeln auf dem Strip herum. Außer diesen Alkoholleichen und der Straßenreinigung sind kaum Leute unterwegs.
Die Autovermietung ist zu. Kein Schild mit Öffnungszeiten.
Simon trommelt mit den Fäusten an die verschlossene Tür.
Wir gehen zu dem hohen Gitter, hinter dem sich die tollen Oldtimer befinden. Das Tor ist mit einem einfachen Vorhängeschloss versehen.
Simon rüttelt heftig an dem Gitter.
„‚Cars for lease‘ gibt’s nicht mehr“, scherzt Orlando.
Plötzlich öffnet sich die Barackentür. Der weißhaarige Althippie steckt seinen Kopf heraus.
„Was wollt ihr?“, murmelt er verschlafen.
„Guten Morgen“, grüßen Orlando und ich im Chor.
Der Typ trägt nur ein verwaschenes T-Shirt über seiner Unterhose. Seine langen dünnen Beine sind voller Krampfadern und sein Gesicht sieht völlig verkatert aus.
Simon zeigt ihm seine Marke.
Erschrocken versucht der Mann, die Tür wieder zuzuknallen. Der Detective hat längst seinen Fuß dazwischen gestellt.
„Aua“, schreit er. „Sind Sie verrückt geworden? Ich verhafte Sie gleich wegen Körperverletzung.“
Simon macht ein großes Theater wegen seiner gequetschten Zehen. Er trägt weiche Mokassins. Keine indianischen, sondern teure italienische.
„Ich dachte, ein Indianer kennt keinen Schmerz“, spottet Orlando leise auf Deutsch.
Obwohl es mir leidtut, dass sich Simon verletzt hat, muss ich kichern.
Mittlerweile hat er sich wieder beruhigt und erklärt dem Händler, was mit unserem Wagen passiert ist.
Ich mische mich nicht ein, lasse ihn machen. Habe kapiert, dass der Alt-Hippie Dreck am Stecken hat und sich vor dem Detective fürchtet. Mit dem Ergebnis der Verhandlungen bin ich hochzufrieden. Wir müssen den Mazda nur für einen Tag bezahlen, und der Typ wird ihn auf eigene Kosten von der Tankstelle im Death Valley abholen.
„Gut gemacht“, sage ich zu Simon und klopfe ihm auf die Schulter, als wir wieder in seinem Wagen sitzen.
„Leute einzuschüchtern gehört zu meinem Job.“
Ich weiß nie, wann er etwas ernst meint oder nur scherzt. Seine Miene ist ernst, aber seine Augen lächeln.
Er bringt uns dann zu einer Avis-Filiale. Ich merke, dass er ständig auf seine Armbanduhr schaut.
„Du hast es eilig?“
„Ja, ich habe um zehn einen wichtigen Termin.“
„Kein Problem. Wir schaffen es schon allein, hier einen Wagen zu mieten. Avis hat Fixpreise, nehme ich an.“
Unser Abschied fällt unromantisch aus. Ich gebe ihm die Hand, bedanke mich für alles und überlasse ihn Orlando, der ihn so stürmisch umarmt, als würde es ein Abschied für immer sein.
Verlegen löst sich der Detective aus Orlandos Armen und steigt in seinen Jeep.
„Wir sehen uns in ein paar Tagen. Und passt gut auf euch auf. Meine Nummer habt ihr ja“, ruft er uns aus dem offenen Fenster zu.
Orlando sieht sich einige europäische Autos an. Ich interessiere mich für einen Suzuki-Geländewagen. Er hat ein paar Dellen und die hintere Stoßstange wird sich bestimmt bald ganz verabschieden. Der junge Angestellte bietet uns den Wagen um einen Sonderpreis für eine Woche an. Also doch keine Fixpreise, denke ich.
Hocherfreut, dass wir so billig davongekommen sind, setze ich mich ans Steuer.
Orlando verdirbt mir gleich wieder die Freude. „Mein Gott, ist das erst eine unbequeme Rostschüssel! Dagegen war der kleine Mazda ja ein richtiger Luxuswagen. Wie soll ich es auf diesem durchgesessenen Sitz bloß tagelang aushalten?“
„Hör sofort auf zu meckern. Dieser Suzuki ist ein echtes Schnäppchen. Falls wir wieder auf Schotterstraßen herumkurven müssen, werden wir über den Allradantrieb heilfroh
Weitere Kostenlose Bücher