Blutiger Sand
mit Speck und Bohnen, dazu starken Kaffee – erzählt er, ohne dass er von jemandem gefragt wurde, dass er und Claire der Highway Patrol helfen würden, Unfallautos oder in der Wüste gestrandete Fahrzeuge ausfindig zu machen.
Claire spricht kein Wort. Erst als Simon Hunter sie in der Sprache der Navajo anredet, taut sie etwas auf. Schenkt ihm Kaffee nach und lächelt ihn dabei sogar an.
Beim Abschied flüstert sie mir zu: „Pass gut auf dich auf!“
Ich drehe mich noch einmal nach ihr um. Das grelle Sonnenlicht, das von der einzig intakten Fensterscheibe der Bar reflektiert wird, blendet mich. Ich kann ihr Gesicht nicht sehen.
Wir fahren mit Simon Hunters knallrotem Jeep zurück nach Las Vegas.
Orlando besteht darauf, vorne zu sitzen, behauptet, ihm würde hinten schlecht werden. Mir ist es egal. Ich sitze fast lieber hinten. Lege meine langen Beine auf die Sitzbank und genieße endlich diese Wahnsinns-Landschaft.
Roter Staub hängt in der Luft, verfärbt den Horizont rosa. Bussarde jagen entlang der Interstate. Sie sitzen auf den hohen Strommasten und beobachten den Highway kilometerweit in beide Richtungen. Sobald sie ein kleines Tier wahrnehmen, nähern sie sich ihrer Beute gegen die Sonne.
Während der Fahrt durch die Wüste redet Orlando pausenlos auf Simon Hunter ein. Erzählt ihm von Wien, von den Frauenmorden in Wien-Margareten, die wir gemeinsam aufgeklärt haben, und schließlich auch von den Morden in Florenz und von seiner unsäglichen italienischen Verwandtschaft.
Ich döse vor mich hin. Die Hitze und die Bewegung des Autos wirken wie eine Schlaftablette auf mich.
Als wir wieder im militärischen Sperrgebiet am Rande des Air-Force-Geländes angelangt sind, erzählt Simon Hunter uns, dass er bei der US Air Force gedient und im Ersten Irakkrieg gekämpft hat. So wie Jamie, denke ich. Im Gegensatz zu diesem scheint er nicht gern über seine Kriegserlebnisse zu sprechen. Als Orlando ihn fragt, ob er Bomberpilot gewesen wäre, reagiert er nicht, sondern redet von etwas anderem: „Sie haben mir danach das College bezahlt und sogar die Ausbildung an der Police Academy. Für uns Indianer war das Militär die einzige Chance, eine anständige Ausbildung zu bekommen.“
Der Jeep bewegt sich mit fünfundsiebzig Meilen, als er auf eine Stelle trifft, wo sich der Asphalt in der Hitze aufgewölbt und sich daneben gleichzeitig verflüssigt hat, nach unten gesunken ist. Als das rechte Vorderrad des Wagens auf der Erhebung landet und das linke im Loch, kommt der Jeep gefährlich in Schräglage. Ein langes, hochgezogenes Quietschen erklingt, als Simon Hunter mit aller Kraft auf die Bremse tritt. Der Wagen gerät wie in Zeitlupe ins Schleudern. Für einen schier endlos dauernden Moment balanciert er auf zwei Rädern, bevor er sich quer auf die Straße stellt und mit ohrenbetäubendem schrillen Kreischen über den Asphalt schlittert.
„Das war knapp“, sagt Orlando, als wir vor dem tiefen Straßengraben zum Stehen kommen.
Wir sind in der Nähe von Indian Springs, verrät uns die Reklametafel einer Raststätte.
Hunter fährt von der Autobahn ab. Seine Hände zittern. Der Ausrutscher hat auch ihm einen Schrecken eingejagt.
Die Sonne hat ihren Höchststand erreicht, als wir den Wagen verlassen und mit schlotternden Knien zur Raststätte wanken.
Keiner von uns hat Appetit. Wir bestellen Ice Tea und Kaffee.
Das Diner ist gut besucht. Die ältere Kellnerin hat alle Hände voll zu tun.
„Die Amis fahren hauptsächlich japanische Autos“, sagt Orlando.
„Oder deutsche. Deutsche Autos gelten bei uns als Statussymbol.“ Der Detective ist sichtlich froh über das harmlose Thema.
„Bei uns fahren nur Spießer deutsche Autos“, sagt Orlando.
„Oder Angeber. Denk an die BMW -Fahrer“, werfe ich ein.
Orlando hatte mir unlängst gestanden, dass er, wenn er genug Geld hätte, sich am liebsten ein BMW -Cabrio kaufen würde.
Nach der ersten Tasse Kaffee bestellen Orlando und Hunter Donuts.
Ich widerstehe dem Angebot, bei ihren Donuts abzubeißen. Beginne wieder von unseren Reiseplänen zu reden. Ich möchte nach wie vor alle Tatorte aufsuchen.
Simon Hunter versucht erneut, mich davon abzubringen. „Ich habe morgen und am Samstag zu tun. Habe mir aber für nächste Woche Urlaub eingetragen. Wir könnten dann gemeinsam losfahren“, sagt er.
Orlando ist sehr angetan von dieser Idee. Ich bleibe stur. Will keine Zeit mehr verschwenden. „Sie können ja nachkommen“, sage ich zu Hunter.
Die Kellnerin
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