Blutiger Sand
bringt frischen Kaffee. Der Kanne entströmt Dampf.
„Vorsicht, sehr heiß“, warnt sie mich, als ich nach meiner Tasse greife.
„War die Tankstelle, auf der wir gestrandet sind, wirklich diejenige, die Dick Carson damals überfallen hat?“, frage ich.
„Ja.“
„Ich habe keine Ranch gesehen.“
„Die Barker Ranch ist völlig verfallen und liegt ein paar hundert Meter weit weg.“
„Tom und Claire haben die Tankstelle nach dem scheußlichen Verbrechen bestimmt billig erstanden“, sagt Orlando.
„Anzunehmen. Dieser Tom ist ein ekelhafter Kerl. Der andere, der uns abgeschleppt hat, ist ganz nett, aber auch ein bisschen eigenartig“, sage ich.
„Den habe ich ja nicht zu Gesicht bekommen. Wie heißt der Typ mit Nachnamen?“
„Ich habe ihn nicht danach gefragt. Er war übrigens zur selben Zeit im Irak wie Sie. Vielleicht sind Sie ja sogar bei derselben Einheit gewesen.“
Der Detective sieht sehr müde aus. Seine Augen sind nur mehr schmale Schlitze. Der Kaffee hat ihn garantiert nicht munter gemacht. Dieses Gebräu kann man literweise trinken, ohne Herzklopfen zu bekommen.
Er macht den Tank voll.
„Benzin ist bei euch billiger als in Europa“, sagt Orlando. Nur um irgendetwas zu sagen, denke ich. Auch er hat sicher bemerkt, dass unser Detective am Ende seiner Kräfte ist.
Hunter geht zahlen und kommt mit einem Säckchen Marshmallows in der Hand zurück.
Orlando ist süchtig nach Marshmallows. Aber woher weiß der Detective das?
Ich finde diese Süßigkeit aus reiner Chemie einfach grauenhaft. Orlando ist es völlig egal, woraus die weißen Würfel bestehen. Ohne zu meckern setzt er sich auf die Rückbank und stopft das süße Zeug in sich hinein. Hin und wieder gibt er auch dem Detective ein paar Marshmallows ab.
Ich biete Hunter an, ihn am Steuer abzulösen. Er kann seine Augen kaum mehr offen halten. Bleibt stehen und reicht mir dankbar die Wagenschlüssel.
Ich lasse das Fenster auf meiner Seite ein wenig herunter. Sofort spüre ich, wie die Hitze vom Asphalt der Straße aufsteigt und hereinströmt. Simon Hunter ist am Beifahrersitz sofort eingenickt. Sein Vertrauen in meine Fahrkünste ehrt mich. Orlando ist nach wie vor mit seinen Marshmallows beschäftigt.
Etwa dreißig Meilen vor Las Vegas wird der Verkehr dichter. Ich schalte das Autoradio ein. Zäher Verkehr auf allen Einfahrten in die Stadt.
Hunter wacht auf. Er schlägt vor, einen Abstecher in den Red Rock Canyon zu machen. „Bei Sonnenuntergang erstrahlen die Felsen dort in den prächtigsten Farben. Dieses Schauspiel dürft ihr euch nicht entgehen lassen“, fügt er nach einem Blick auf Orlandos gelangweilten Gesichtsausdruck hinzu.
Ich glaube meinen jungen Freund gut genug zu kennen, um zu wissen, dass er es kaum mehr erwarten kann, wieder in die Stadt der Sünde zu kommen.
„Ich brauche ohnehin eine Rauchpause“, sage ich und biege auf die Straße, die in den Canyon führt, ab.
Aus der Ferne wirkt der Sandstreifen zwischen den bizarren Felsen fast grün.
„Die Wüste ist voller rot und gelb blühender Kakteen, und es wimmelt hier nur so von kleinen Tieren“, sagt der Detective.
Kaum haben wir den Eingang zu dem Naturschutzgebiet passiert, verstehe ich, woher dieser Canyon seinen Namen hat. Skurrile Sandsteinformationen, die aus Dünen entstanden sind, haben die verschiedensten Rot- und Orangetöne angenommen.
„Die nachgebaute Westernstadt können wir uns sparen. Lasst uns lieber den Sonnenuntergang genießen.“
Wir sind die Einzigen auf dem Parkplatz an einem etwas erhöht gelegenen Aussichtspunkt. Ich steige aus und zünde mir eine Zigarette an.
Der Blick auf das weite Land ist hinreißend. Ich stelle mir vor, wie plötzlich Indianer auf ihren Pferden aus einer Schlucht geritten kommen. Fast kann ich die weiß bemalten Gesichter der Krieger sehen, das Schnauben der Mustangs und das Klappern ihrer Hufe hören.
Ich genieße die Einsamkeit, die Stille. Obwohl es hier nicht vollkommen still ist. Ich höre das leise Summen des Windes in den knorrigen Sträuchern entlang der Straße, das Rascheln kleiner Tiere im Gebüsch und das Zwitschern der Vögel. Die untergehende Sonne verwandelt den Himmel in ein orangerotes Meer und lässt die Berge blutrot strahlen.
Begeistert sehe ich Simon Hunter an.
Er nimmt meine Hand, drückt sie sanft.
Wären wir zu Hause, würde ich ihm in diesem Augenblick das Du-Wort anbieten.
Orlando mustert uns mit argwöhnischen Blicken.
Simon nennt uns die Namen einiger Gipfel. Die
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