Blutiger Spessart
Mobilfunks störten, hatte er einen Verstärker einbauen lassen.
Als das Handy hochgefahren war, sah er auf dem Display, dass vor wenigen Minuten jemand versucht hatte, ihn zu erreichen. Er zog die Augenbrauen in die Höhe. Die Nummer kannte er. Schmitt betätigte die Rückruffunktion.
»Hallo, F. J.«, sagte eine männliche Stimme ohne Formalitäten, die er sofort erkannte. »Können wir uns um 23.00 Uhr treffen?«
»In Ordnung«, war die kurze Antwort, dann schaltete Schmitt das Telefon wieder aus.
Weitere Erklärungen des Gesprächspartners waren nicht nötig. Schmitt hatte zum einen die Stimme des Anrufers erkannt, zum anderen nannte ihn nur einer F.J., englisch ausgesprochen. Auch der Ort des Treffens war ihm klar.
Franz-Josef Schmitt hatte eine besondere Vita. Mit 21 Jahren war er in die Fremdenlegion eingetreten. Ihm wurde damals von der deutschen Justiz ein Kapitalverbrechen zur Last gelegt, dessen Konsequenzen er nicht auf sich nehmen wollte.
Als er die Legion verließ, war er ein hervorragend ausgebildeter Scharfschütze, ein Sniper, der an vielen Brennpunkten der Welt, an denen Frankreich seine Legion einsetzte, seine Fähigkeiten bewiesen hatte. Nebenbei lernte er auch noch, hinter der Front mit Sprengstoff gezielte Attentate durchzuführen, was ihm unter den Kameraden den Kriegsnamen »Sprenger« eingebracht hatte.
Sehr schnell war er nach seiner Entlassung dahinter gekommen, dass man in einschlägigen Kreisen seine speziellen Begabungen sehr zu schätzen wusste. Mehrere Jahre verbrachte er dann im Dienste der Staatssicherheit, ohne jemals in der DDR zu leben. Nach der Auflösung dieses Staates war er nur noch auf Bestellung tätig. Der Vorteil der Selbstständigkeit war, dass er sich seine Aufträge aussuchen konnte. Wegen des Geldes musste er diese Arbeit schon lange nicht mehr machen. Was ihn aber nach wie vor reizte, war der Nervenkitzel. Die Herausforderung, Probleme zu lösen, die außer ihm keiner aus der Welt schaffen konnte. Er bot einen Spezialservice an, über den man nicht sprach, der aber häufiger benötigt wurde, als man dachte. Emotionslos, zuverlässig, verschwiegen. Moralische Bedenken kannte er nicht. Er war ein Menschenjäger, der für Geld Beute machte. Mit einer kleinen Einschränkung: Er tötete weder Frauen noch Kinder. Wenn man ihn gefragt hätte, warum er diesen Job machte, dann hätte er geantwortet, weil er es konnte und weil er darin gut war.
Trospanini hatte ihn erst vor wenigen Tagen für das Attentat in Würzburg »gebucht«. Er wunderte sich ein wenig, dass der Consigliere der Emolino-Familie schon wieder Kontakt zu ihm aufnahm. Vielleicht hatte es nach der Erledigung des Auftrags mit dem Gefangenentransporter Komplikationen gegeben? Was er sich aber eigentlich gar nicht vorstellen konnte. Der Sprenger machte keine Fehler.
Schmitt warf einen Blick auf seine Armbanduhr. Bis zum Treffpunkt würde er etwa eine Stunde benötigen. Es war also noch reichlich Zeit, um sich einen Kaffee zu genehmigen.
Der Parkplatz im Wald an der Bundesstraße 26 zwischen Lohr und Gemünden, beide am Main gelegen, wurde tagsüber in erster Linie von Wanderern benutzt, die von hier aus ihre Touren in den Spessart hinein starteten. Um diese Stunde war er allerdings leer.
Entsprechend seiner Gewohnheit, nichts dem Zufall zu überlassen, war der Sprenger eine Stunde vor dem Treffen vor Ort. Er lenkte seinen alten Fiat über den Platz ein Stück in einen Waldweg hinein, sodass man ihn weder vom Parkplatz noch von der Straße sehen konnte. Dann stieg er aus und stellte sich hinter eine dicke Buche, die ihm gute Deckung gab. Er schätzte es, das Umfeld eines Treffpunkts rechtzeitig beobachten zu können. In seinem Job waren Vorsicht und Misstrauen überlebensnotwendige Tugenden.
Das Fahrzeug des Consigliere kam eine halbe Stunde später. Trospanini stieg aus und schlenderte über den Platz. Er sah von Schmitt zwar keine Spur, war sich aber sicher, dass der Mann bereits in der Nähe war und ihn beobachtete. Schon oft war er mit dem exzessiven Misstrauen des Sprengers konfrontiert worden.
Es verging fast eine weitere Viertelstunde, ehe der Sprenger seine Deckung verließ und plötzlich, lautlos wie ein Schatten, aus der Nacht neben dem Consigliere auftauchte. Trospanini musste sich zusammennehmen, um sich sein Erschrecken nicht anmerken zu lassen. Der Mann war ihm wirklich unheimlich.
»Was gibt es?«, fragte Schmitt ohne Einleitung. Sein Gruß bestand aus einem knappen Nicken, das
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