Blutiger Spessart
wahrscheinlich ist. Zumindest muss er so schwer verletzt worden sein, dass er sich nach meiner Meinung nicht mehr ohne fremde Hilfe fortbewegen konnte. Der Treffer dürfte im Bereich des Brustkorbs liegen. Der Blutverlust war sicher erheblich.«
»Um alle Eventualitäten auszuschließen, werde ich jetzt noch alle Krankenhäuser in der Umgebung abtelefonieren. Es könnte ja sein, dass er eingeliefert wurde, im Koma liegt und seine Identität nicht festgestellt werden konnte. Der Junge war ein absoluter Chaot und hatte meist keine Papiere bei sich. Sollte er allerdings wirklich tot sein, frage ich mich, wo seine Leiche ist. Die muss der Mörder beseitigt haben.« Er atmete tief durch. »Ich weiß nicht, wie ich das Don Emolino beibringen soll.«
Das war allerdings nicht Schmitts Problem. Für ihn war der Auftrag damit erledigt. Er beendete das Gespräch und legte auf.
Trospanini zog seinen Laptop heran und ging ins Internet. Er brauchte die Telefonnummern aller Krankenhäuser in der Umgebung. Hoffnung hatte er allerdings kaum. Es war nur eine letzte Möglichkeit, um alle Eventualitäten auszuschließen.
Während seine Finger über die Tastatur glitten und die Angaben in die Suchmaschine eingaben, dachte er daran, welche Mittel und Wege es gab, um eine Leiche für immer verschwinden zu lassen. Dem Consigliere waren da aus eigener Erfahrung einige Methoden bekannt.
Wie erwartet, blieb seine Anrufaktion bei den Krankenhäusern in Lohr, Marktheidenfeld und Karlstadt ohne Erfolg. Jetzt konnte er es nicht länger hinauszögern, er musste zu Don Emolino gehen und ihm die grausame Wahrheit sagen.
Michelangelo Trospanini traf Don Emolino beim Frühstück im Eiscafé. Er saß an einem der hinteren Tische und tauchte ein Croissant in seinen Caffè latte. Seine dunklen Augen beobachteten dabei durch die großflächigen Fensterscheiben den dunkelblauen Audi, der knapp siebzig Meter vom Eingang des Eiscafés entfernt parkte. Unschwer konnte man darin durch die Windschutzscheibe zwei männliche Gesichter erkennen, die das Café nicht aus den Augen ließen.
Als der Alte den Consigliere zur Türe hereinkommen sah, versteifte er sich und starrte ihn an. Nachdem er die ernste Miene seines Vertrauten gemustert hatte, legte er das Gebäckstück langsam zur Seite. Sein Gesicht wurde ausdruckslos, lediglich die Wangenmuskeln traten reliefartig hervor. Don Emolino wusste sofort, dass Schlimmes auf ihn zukam. »Du hast Nachrichten von Ricardo?«, stieß er gepresst hervor.
Trospanini nickte. Er konnte Emolino dabei nicht in die Augen sehen.
»Setz dich«, forderte der seinen Vertrauten mit heiserer Stimme auf. »Sprich!«
Trospanini suchte nach Worten.
»Sag, was zu sagen ist!«, fuhr ihn der Alte unwirsch an und fixierte ihn mit stechendem Blick.
»Wir haben am Rande eines Maisfelds in der Nähe von Partenstein, dort, wo wir auch ein Stück entfernt seinen Wagen gefunden haben, Blutspuren entdeckt. Wir haben das Blut untersuchen lassen und einen DNA-Vergleich durchgeführt. Es stammt definitiv von Ricardo. Nach den Spuren, die wir gefunden haben, deutet vieles darauf hin, dass Ricardo dort mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest schwer angeschossen wurde, wenn nicht Schlimmeres. Ich habe alle Krankenhäuser angerufen. Er wurde nirgendwo eingeliefert. Ricardo ist wie vom Erdboden verschluckt.«
Don Emolino saß wie versteinert. Alles Blut war aus seinen Wangen gewichen. Der Consigliere hatte Angst, dass den Alten gleich der Schlag traf.
»Wo ist mein Junge?« Die Frage kam leise über seine blutleeren Lippen.
Trospanini zuckte mit den Schultern. »Wir wissen es noch nicht. Der Sprenger ist sich allerdings sicher, dass er mit dieser schweren Verletzung nicht überleben konnte.«
»Es muss also jemand seine Leiche beiseite geschafft haben«, flüsterte Emolino heiser. »Wer tut so etwas? Wenn ich das Schwein in die Finger bekomme, wird er sich wünschen, nicht geboren worden zu sein!«
Zu der Frage der Beseitigung einer Leiche hätte Trospanini einiges sagen können. Don Emolino selbst hatte schon mehrfach dafür gesorgt, dass unliebsame Menschen plötzlich spurlos von der Bildfläche verschwanden.
Der Alte hatte nur wenige Freunde, dafür aber eine ordentliche Schar Feinde, von denen einige durchaus zu derartigen Taten in der Lage waren. Er hütete sich aber wohlweislich davor, eine diesbezügliche Bemerkung zu machen.
Don Emolino starrte einige Zeit in seine Kaffeetasse, schließlich hob er den Kopf und sah seinen Consigliere
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