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Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition)

Titel: Blutiger Winter: Ein Oger-Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Russbült
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selbst zu tun, doch die Macht eines jeden Lords schwand zunehmend, und der Klerus war daran nicht ganz schuldlos.
    Viele der Menschen ließen sich von den Lügen der Priester blenden, aber es gab auch solche, die es besser wussten. Zauberer, Hexen und Druiden fühlten die Abwesenheit der Götter, weswegen diese arkanen Magieanwender dem Klerus ein Dorn im Auge waren. Gerade Hexen und Druiden beherrschten einen Großteil der Heilzauber und waren der Kräuter kundig. Und Zauberer verfügten über Visionsmagie. Täten sie sich zusammen, wären sie in der Lage, das Lügengespinst der Priester zu zerschlagen und die Tempel zu entmachten. Das musste der Klerus natürlich mit allen Mitteln verhindern.
    Finnegans Vater, Tyvell, war einer der Hohepriester von Lorast. Zusammen mit einigen anderen Ältesten bildete er den Rat, der sich ausnahmslos damit beschäftigte, den Glauben zu erhalten, ob mit oder ohne die Gnade der Götter. Das Letzte, was er in diesen schwierigen Zeiten brauchte, war eine Hexe als Schwiegertochter.

3
Eine Höhle in den Bergen

    Die Sonne verschwand allmählich hinter den Bergen im Westen und sandte ihre letzten wärmenden Strahlen zu den höchsten Gipfeln. Weit oben im Felsmassiv, das den roten Sumpf umgab, war alles Leben von den wenigen Gaben der Natur abhängig. So hoch oben gab es kaum mehr Nahrung; was an spärlicher Vegetation wuchs, kümmerte vor sich hin. Nur die besten Jäger - solche, die mit allen Widrigkeiten zurechtkamen - waren für ein Leben hier oben geschaffen. Schneestürme, Lawinen und eisige Abgründe forderten ihren Tribut bei der kleinsten Unachtsamkeit. Wer von den Göttern nicht mit Geschicklichkeit, Zähheit und einem dicken Fell ausgestattet worden war, um den Naturgewalten zu trotzen, verlor unweigerlich sein Leben.
    Kaum ein Wesen folgte je dem schmalen, felsigen Pfad, der sich um den Berg schlängelte, bis hinauf zum Gipfel. Denn alles, was es außer dem Tod auf den Höhen des felsigen Massivs über den Wolken zu finden gab, war ein wunderbarer Ausblick - und eine Tür. Beides war ohne Frage geeignet, einen Betrachter, der sich doch bis hier hinauf gewagt hatte, durch ihre Einzigartigkeit in Erstaunen zu versetzen.
    Die Aussicht beeindruckt natürlich durch ihre erhabene Schönheit. Bei guter Witterung hatte man gen Süden Sicht auf den roten Sumpf und den Drachenhorst, der sich aus ihm erhob. Im Norden erstreckte sich das Meer bis an den Horizont, und fast glaubte man, die Insel Argaht sehen zu können. Nach Westen und Osten hin fiel der Blick über eine schier unendliche Weite aus schneebedeckten Gipfeln. Man hätte meinen können, sie seien das Abbild eines Drachenrückens, genauso scharfzackig und tödlich wie die einstigen Herrscher der Welt.
    Die Tür beeindruckte auf gänzlich andere Weise. Zum einen war ihre bloße Existenz ein Wunder an sich. Darüber hinaus war sie augenscheinlich mit derart geringem handwerklichen Geschick zusammengezimmert, dass man sich unweigerlich fragte, wie sie mit ihrer Höhe von fast zehn Fuß überhaupt zusammenhielt.
    Eine Tür war etwas, das zu seinem Betrachter sprach. Jede Tür unterschied sich von der nächsten, hatte ihre eigene Geschichte zu erzählen und verriet in gewissem Maße, was hinter ihr zu finden war. Eine Kerkertür versprach Kälte, Stahl und Einsamkeit. Das Portal eines Thronsaales lockte mit Reichtum, Prunk und Macht. Auch diese Tür, hoch oben in den Bergen, hatte etwas zu sagen: »Ich bin kein Schreiner, aber mir war kalt.«
    Mehr erfuhr man von Türen im Allgemeinen nicht, es sei denn, man lauschte an ihnen. Hätte man an der Tür in den Bergen gelauscht, so hätte man eine tiefe Stimme vernehmen können, die um Gelassenheit bemüht war. Und hätte man nun auch noch einen Blick durch die Ritzen der kruden Holzbretter gewagt, so hätte man entdeckt, dass hinter der Tür eine alte Bärenhöhle lag, in der sich gerade ein Oger über einen Kessel mit dampfender Suppe beugte.
    »Du musst etwas essen«, sagte dieser.
    Neben einer großen Menge Wasser dümpelten einige bräunliche Wurzeln und ein breites Stück Dörrfleisch in dem Topf herum. Solch ein Mahl war nichts, um einen Oger gütlich zu stimmen. Im Gegenteil, mehrere Tage mit dieser Art Verpflegung hätten ihn in Raserei versetzt. Zum Glück aber war diese Suppe nicht für den Oger gedacht, sondern für einen alten Mann, der kaum noch die Kraft hatte, selbst zu essen.
    »Die Suppe wird dir gut bekommen, Usil. Du wirst staunen, wie prima sie mir diesmal gelungen

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