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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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sich aus. Seine Mutter hatte ihm ein Buch darüber vorgelesen, und sein älterer Cousin kannte eine Geschichte von einem Raumschiff unter einem Apfelbaum, genau so einem wie dem hinten im Hof.
    Im Haus herrschte Stille. Seine Eltern schliefen. Er schaute aus den Fenstern, sah unten das Honkytonk mit seinen Lichtern und hörte die Stimmen und die laute Countrymusik von dort. Lieder vom Saufen und vom Abschiednehmen schallten herüber. Hinter dem Highway konnte er über den Zaun hinweg sehen, was auf der großen weißen Leinwand im Autokino gezeigt wurde.
    Er wusste nicht, dass gerade eine Filmreihe mit alten Zeichentrickserien auf dem Programm stand; er begriff lediglich, dass da Cartoons liefen und er sie am Vormittag im Fernsehen verpasst hatte. Also zog er sich einen Stuhl ans Fenster heran, setzte sich und schaute zu, wie die Figuren der Warner Brothers – Bugs Bunny, Duffy Duck und wie sie alle hießen – ihre Possen trieben. Hören konnte er sie ohne Lautsprecher nicht. Seine Tonspur kam vom Honkytonk, im Moment gerade ein alter Song von Loretta Lynn über traurige Mädels aus Kentucky, dem bald ähnliche Liedchen folgten.
    Unter der Woche, wenn sein Vater an den großen Trucks schrauben musste, saß Harry abends normalerweise mit seiner Mutter hier am Fenster und schaute die Filme. Größtenteils ältere Produktionen. Italowestern, Schwarz-Weiß-Krimis. Manchmal lief etwas Neueres, doch die meisten Vorführungen zeigten alte Streifen. Genau das war das Besondere an diesem Autokino. Ein neues Gebäude, das von altem Glanz erfüllt wurde – so versuchten die Betreiber, ein wenig vom Zauber der Vergangenheit einzufangen.
    Seine Mutter und er schauten dabei zu, und sie erzählte ihm dann, was die Schauspieler sagten. Was natürlich hieß, dass sie es sich ausdachte. Harry glaubte, sie habe irgendwelche übersinnlichen Kräfte, könne Gedanken lesen oder wisse eben einfach alles. Schließlich war sie seine Mutter. Bestimmt gab es nichts, was sie nicht wusste, einschließlich dessen, worüber die großen Menschen auf der Leinwand sprachen oder was die Zeichentrickfiguren schrien, wenn sie von der Klippe stürzten.
    Doch im Grunde war es gar nicht so wichtig, was gesagt wurde. Nicht bei den Zeichentrickfilmen. Die Geschichte erschloss sich aus den Bewegungen der Figuren. Dazu brauchte er seine Dolmetscherin, seine Mom, eigentlich gar nicht. Wie er jetzt so dasaß und den Zeichentrickfiguren zuschaute, fand er, dass er diesen Part selbst übernehmen konnte. Also flüsterte er vor sich hin, was die Figuren seiner Meinung nach von sich gaben. Nichts Besonderes. Hier ein Huch und da ein Wow , dies und das.
    Ziemlich lange schaute er so zu, lachte hin und wieder, und während die Nacht voranschritt, verpuffte seine Energie. Allmählich wurde er wieder müde. Ihm war heiß. Die Kehle tat ihm weh, genau wie sein Hals an den Seiten, aber das Schlimmste war sein rechtes Ohr. Es fühlte sich an, als steckte eine Biene darin. Ganz tief drinnen summte es so komisch. Die Biene schwoll an und füllte sein Ohr aus, seinen ganzen Kopf. Ihr hitziger Flügelschlag war schier unerträglich.
    Harry hatte Mühe, auf dem Stuhl sitzen zu bleiben. Die Cartoons gerieten ins Schwanken, genau wie die Fenster. Sie schlingerten um ihn herum, als wäre er von Glasteufelchen umzingelt, die Schummerlicht und Kneipenmusik ausspien und Zeichentrickfarben bluteten, die dann in verrückten Mustern über die Wand tanzten. Das Haus drehte sich im Kreis. Die Decke fiel herunter, und der Boden stieg empor. Die Biene in seinem Ohr geriet völlig außer Rand und Band.
    Das gesamte Wunderland fuhr eine Runde Walzerbahn.
    Am nächsten Morgen fand sein Vater ihn bewusstlos auf dem Fußboden, wo er neben dem Stuhl in einer Urinlache lag.
    Als Harry die Augen öffnete, war die ganze Welt weiß und grell. Er sah eine Gestalt in Weiß vorbeischweben, und irgendetwas steckte in seinem Arm; es fühlte sich an, als hätte ihm jemand einen Zahnstocher unter die Haut gerammt. In dem Zimmer war es sehr hell, und das Weiß schien darin umherzukriechen. Er fühlte sich müde und matt, ihm war heiß, und sein Arm schmerzte. Er schloss die Augen wieder und trieb auf einem trägen Fluss davon, hinein in einen Traum von einer Zeichentrickwelt, in der es von leuchtend bunten sprechenden Hasen und plappernden Enten und großen roten Dynamitstangen wimmelte, die mit den Worten Bumm und Kawumm in gelber Schrift explodierten; Federn flogen, Entenschnäbel schnatterten, Kojoten

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