Blutiges Echo (German Edition)
dachte ich, du wärst als Kind auf die Birne gefallen, oder der Mumps hätte dir das Gehirn verseucht und ein paar graue Zellen vernichtet. Aber inzwischen denke ich, wenn du verrückt bist, tja, dann bin ich’s auch.«
»Das bedeutet mir viel, dass du das sagst. Du bist wohl der Einzige, der mir glaubt. Vielleicht noch Kayla. Schwer zu sagen. Aber irgendwer wurde in diesem Bunker umgebracht, und ich habe das Gefühl, dass die Verantwortlichen dafür nie geradestehen mussten.«
»Du meintest, du hättest den Mörder erst für Mr McGuire gehalten? Aber jetzt klingt es so, als hättest du Zweifel.«
»Ich weiß auch nicht, was ich glaube. Auf der Polizeiwache hab ich die Behauptung zurückgenommen, weil ich mir nicht mehr sicher war. Und ich hatte schon genug Ärger. Ich hatte Glück, dass McGuire die Anzeige hat fallen lassen …«
»Aber es weckt dein Misstrauen.«
»Und noch was. Je mehr ich darüber nachdenke, komme ich zu dem Schluss, dass Kayla mir wahrscheinlich glaubt. Sie hat nach dem Rothaarigen gefragt, und der Sergeant nicht. Nicht so richtig. Er hat mich nach einer Beschreibung gefragt, wahrscheinlich um sich über mich lustig zu machen. Aber sie schien mir zu glauben.«
»Ich sag’s dir, sie mag dich.«
»Vielleicht.«
»Rufst du sie an?«
»Vielleicht.«
»Hast du Lust, ein bisschen durch den Garten zu laufen? Ich könnte dir ein paar neue Sachen zeigen. Ich glaube, für mich wäre das jetzt das Richtige. Das hilft manchmal, um wieder einen klaren Kopf zu kriegen: in der Bewegung meditieren.«
»Du steckst einen Rausch ziemlich gut weg.«
»Hey, Kleiner. Ich habe sehr viel mehr Übung als du. Und wer hat behauptet, dass es mit meinem Rausch schon vorbei ist?«
»Was ist nächstes Mal?«
»Du meinst nächstes Jahr zur selben Zeit, in derselben Situation?«
Harry nickte.
»Keine Ahnung. Ich mache mir keine Gedanken um morgen. Oder übermorgen. Wie es bei den Anonymen Alkoholikern so schön heißt, einen Tag nach dem anderen.«
»Bist du bei den Anonymen Alkoholikern?«
»Nee. Hab das vor ein paar Jahren mal probiert. Konnte nie diesen Mist mit der höheren Macht akzeptieren, die alles in der Hand haben soll. Ich glaube nicht an eine höhere Macht, also war das nichts für mich. Ich glaube, dass man lebt, man stirbt, und das ist alles. Der Himmel ist für mich ein Märchen, wie die Zahnfee, der Weihnachtsmann und der Osterhase. Aber die AA stellen das schon richtig an mit einem Tag nach dem anderen. Mehr kannst du ohnehin nicht tun. Du musst über heute nachdenken, nicht über morgen. Ich bin stolz auf dich, Harry. Weil du mehr Mumm hast als ich. Weil du dich heute Abend nicht vom Alk hast einlullen lassen. Vor allem nachdem diese Schlägertypen bei dir aufgekreuzt sind. Dafür braucht’s schon mächtig Mumm in der Hose, mein Freund.«
»Ich glaube kaum, dass mein verkorkstes Liebesleben, eine Ohrfeige und ein Fausthieb mit dem vergleichbar sind, was du durchgemacht hast.«
»Es geht nicht um den Schweregrad, Harry. Es geht nicht um die Gründe. Das Saufen verschlimmert das Problem. Willst du mal was hören, Harry?«
»Nur zu.«
»Bevor ich dich kennengelernt habe, wusste ich zwar, dass ich unglücklich war, aber ich wusste nicht, was für einen Jammerlappen ich aus mir gemacht habe. Es hat nie sonderlich Spaß gemacht, ein Alki zu sein, und die Sache heute Abend hat auch nichts besser gemacht. Ich will weiter versuchen aufzuhören … ich werde aufhören. Das ist beschlossene Sache.«
»Ich glaube es dir.«
»Gut. Ich selbst bin mir nämlich nicht ganz sicher. Bleibst du für den Rest der Nacht, oder gehst du nach Hause?«
»Wenn es in Ordnung ist, bleibe ich.«
»Du weißt ja, wo das Gästezimmer ist.«
»Klar.«
»Ich stelle mir gerne vor, dass mein Junge, wenn er noch am Leben wäre, dir ziemlich ähnlich wäre.«
»Na, der hätte sich bedankt.«
»Ich hab was für dich. Es liegt im Haus. Ein Handy.«
»Das ist nett von dir, Tad, aber die Rechnung …«
»Die übernehme ich.«
»Das kannst du nicht.«
»Hör mal, ich will, dass du das Teil hast, damit wir in Kontakt bleiben können. Wenn ich dann das nächste Mal Lust habe, mir die Rübe volllaufen zu lassen, kann ich dich anrufen, oder umgekehrt. Es hat auch, wie heißt das noch, SMS. Wo du mir mit dem Telefon Nachrichten schreiben kannst. Du musst nicht mal anrufen. Wir können sogar Fotos schießen und sie uns gegenseitig zuschicken. Und hier kommt der eigentliche Clou: Man kann damit tatsächlich telefonieren.
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