Blutiges Echo (German Edition)
Echt genial, wenn du mich fragst.«
»Tad …«
»Ich tu’s mindestens genauso sehr für mich wie für dich.«
»Klar, Tad. Das ist toll. Danke.«
Tad räusperte sich. »Na, dann lass uns mal loslegen.«
Lautlos und geschmeidig bewegten sie sich im Sternenlicht, die Grillen zirpten, und irgendwo quakte ein Frosch. Harry kam es vor, als wären die Nacht, die Sterne und die Geräusche eine Erweiterung seiner selbst, während er durch die Dunkelheit glitt, sie aufsog, tief im Absoluten, wo er Teil von Ebbe und Flut und dem Puls des Planeten war. Und das Wichtigste, er war völlig nahtlos mit dem Universum verbunden, wie er leicht atmend so vorwärtsglitt, hinaus und hinfort, während allmählich rot und hoffnungsvoll die Sonne aufging und langsam die Nacht und die Sterne verbannte.
Kapitel 44
Der Herbst verging und der Winter setzte ein, und es war ein kalter, feuchter Winter. Harry dachte an das, was er unten im Schutzbunker der McGuires gesehen hatte, aber er konnte nichts weiter tun als sich den Kopf darüber zu zerbrechen.
Tad glaubte ihm, aber was machte das für einen Unterschied?
Es gab einfach nichts, was sie hätten unternehmen können.
Die Polizei weigerte sich, gegen Geister zu ermitteln.
Irgendwann verdrängte Harry all das, versuchte, mit dem Weitermachen weiterzumachen, paukte für seine Prüfungen, arbeitete so viel wie möglich, verbrachte Zeit mit Tad, trainierte und lernte dazu.
Er verbrachte nicht mehr so viel Zeit in seiner Wohnung und nahm keinen von Joeys Anrufen entgegen, die unablässig kamen und seinen AB füllten. Harry spielte die Nachrichten ab, von denen er mittlerweile eine ganze Sammlung hatte. Sie klangen wie der Versuch, eine vergeigte Liebesbeziehung zusammenzuflicken.
Piep.
»War vorhin bei dir. Du warst nicht da.«
Piep.
»Man sieht sich.«
Piep.
»Ich schau mal bei dir rein.«
Piep.
»Lass von dir hören«, endeten alle Nachrichten.
Aber Harry ließ nicht von sich hören.
Er dachte an Kayla.
Er dachte an Talia. Wie sie an jenem Abend ausgesehen hatte, als sie mit der Menge im Schlepptau zu den Laternen gelaufen kam, wo er gestanden und auf die Bullen gewartet hatte. Er sah noch vor sich, wie sie Kyle an sich gedrückt hatte, als hätte sie von Anfang an nichts anderes im Sinn gehabt.
Aber, großer Gott, wie gut sie ausgesehen hatte.
Hoffentlich hatte sie den Anzug erhalten, den er ihr zurückgeschickt hatte. Vielleicht hatte sie sich ja mit der Krawatte erhängt.
Im November gab er bei den Wahlen seine Stimme ab, aber sein Kandidat verlor.
Tad hatte für denselben Mann gestimmt.
»So ergeht es den Rechtschaffenen immer«, sagte Tad. »Du musst das so sehen: Das Volk hat gesprochen. Diese gottverdammten ungebildeten Schwanzlutscher.«
Im College merkte Harry, dass er wieder durch die Gänge schlich, aber es waren weniger die Geräusche, die ihn in Schrecken versetzten, als Talia. Er wollte sie nicht sehen. Er fing an, durch den Hintereingang zu seiner Vorlesung zu gehen, sodass er ihr nicht über den Weg lief, wenn sie gerade das Gebäude verließ, und er sie nicht an derselben Stelle wiedersah, an der sie sich das erste Mal getroffen hatten.
Und es funktionierte. Er sah sie nur ein einziges Mal in den nächsten paar Wochen, und zwar von Weitem. Oft ließ er die Veranstaltung einfach ausfallen und lernte stattdessen aus dem Buch. Damit hatte Talia recht gehabt. Für die Prüfungen brachte einem das Lehrbuch mehr als die Vorlesung. Wenigstens etwas Gutes hatte ihre Beziehung gehabt: dass er nun wusste, wie der alte Herr benotete.
Auf dem Weg zu seinen anderen Kursen war er auch vorsichtig, nur für den Fall, dass sie andere Wege nahm und er auf sie stieß, wie bei einem überraschenden Zusammenstoß mit einer Panzerdivision.
Aber das tat sie nicht. Er wusste es besser. Das war nicht ihre Art. Sie ging davon aus, dass er seine Route änderte. So selbstbewusst war sie, davon war er überzeugt. Das musste ein gutes Gefühl sein, so selbstbewusst, so selbstsicher zu sein.
An diesem Punkt war er beinahe gewesen. Genau in der Mitte im Land des Selbstvertrauens. Beinahe. Ganz kurz. Und vielleicht war ein Teil des Selbstbewusstseins, das er sich angeeignet hatte, vor Kurzem zurückgekehrt. Seine Bewegungen wurden immer flüssiger, inzwischen griff Tad ihn an, und er verteidigte sich, und einmal, nur ein einziges Mal, an einem kalten Tag hinter Tads Haus, war es ihm gelungen, Tad ganz leicht am Kiefer zu berühren.
Dann war er bewusstlos geworden.
Als er
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