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Blutiges Echo (German Edition)

Blutiges Echo (German Edition)

Titel: Blutiges Echo (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe R. Lansdale
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und deswegen blieb es ihr und ihrer Mutter erspart, davon in der Zeitung zu lesen.
    Selbstmord.
    So nannten sie es.
    Das war es aber nicht.
    Und es war auch kein Unfall. Ihr war es egal, was die Bullen dachten oder was in der Zeitung stand.
    Es war Mord. Davon war sie überzeugt.
    An der Tür auf der anderen Seite des Flurs hing eine Zielscheibe, und sie warf einen Pfeil nach dem anderen danach. Drei der Pfeile blieben in der Tür stecken. Diese Tür würde sie schon bald ersetzen müssen. Sie war von Löchern übersät. Wenn ihr Vermieter das herausfand, würde er sauer werden. Vielleicht, dachte sie, besorge ich mir eine Korkplatte und beklebe die ganze Tür damit. Dann passiert nichts, wenn ich danebenwerfe.
    Sie sammelte die Pfeile ein und versuchte es noch mal aus kürzerer Entfernung. Sie traf die Scheibe fünf von sechs Mal. Ein paar Pfeile landeten irgendwo in der Nähe der Mitte.
    Als sie sie zum dritten Mal einsammelte, nahm sie den Holzklotz, steckte die Pfeile hinein und legte ihn wieder zwischen Harrys Ohren.
    So viel zum Thema sportlicher Ehrgeiz.
    Sie schaltete Musik ein, Doo Wop, das hörte sie am liebsten.
    Dann machte sie sich einen Becher Krümelkaffee in der Mikrowelle heiß. Er schmeckte scheußlich. Sie trank ihn im Stehen an der Küchenspüle, dachte über die Ereignisse des vergangenen Abends nach und darüber, was Harry über einen rothaarigen Kerl gesagt hatte, während sie den Tokens dabei zuhörte, wie sie vom Löwen im Dschungel sangen.
    Mit dem Becher in der Hand setzte sie sich an den Schreibtisch im Arbeitszimmer und holte einen Schlüssel unterm Stuhlkissen hervor, um die mittlere Schreibtischschublade aufzuschließen.
    Sie nahm einige Akten aus der Schublade, legte sie vor sich auf den Tisch und schlug sie auf. Dann betrachtete sie die Kopien der Tatortfotos.
    Ihr Vater. An einem Strick. Mit Lippenstift, einem BH, einem Spitzenhöschen und Netzstrumpfhosen, durch die seine Beinbehaarung stach.
    Auf den Fotos sah man es nicht, aber das Höschen war rosa. Es passte nicht besonders gut zu seiner Hautfarbe, und es passte erst recht nicht zum BH, der weiß war und ziemlich locker saß.
    Nein, es war kein schöner Anblick. Ein zu weiter BH. Haare, die aus der Strumpfhose herauslugten. Und dieses rüschenbesetzte rosa Höschen. Es passte einfach nicht zusammen. Zumal im Schein der insektenverklebten Lampen in seiner Werkstatt. Ganz miese Atmosphäre.
    An diese miese Atmosphäre konnte Kayla sich sehr gut erinnern.
    Sie hatte ihn schließlich gefunden.

Kapitel 43
    Tads Tür stand sperrangelweit offen. Als Harry vorsichtig das Haus betrat und das Licht anknipste, schlug ihm ein Geruch entgegen, den er sofort erkannte.
    Schnaps. Alkohol. In rauen Mengen. Allein der Dunst hätte als Massageöl für fünfzig fette Männer ausgereicht.
    Mist, dachte Harry. Mist, Mist.
    Tads Füße lugten unter dem Küchentisch hervor, überall waren Dosen und Flaschen verstreut. Zwei aufgerissene, leere Tüten Honigerdnüsse lagen neben ihm.
    Harry packte Tad an den Füßen und zerrte ihn unterm Tisch hervor. Tad stöhnte und warf sich den Arm vor die Augen. »Mach die verdammte Sonne aus«, sagte er. Er lallte so stark, dass Harry einen Moment brauchte, um ihn zu verstehen.
    »Das ist eine Glühbirne, Tad.«
    »Scheißhell.«
    Harry zog Tad an den Füßen weiter durchs Zimmer und durch den Flur ins Bad. Als er ihn endlich dorthin geschleift hatte, war Tad schon wieder bewusstlos.
    Harry schaltete das Badlicht an, hievte Tad mit dem Oberkörper über den Wannenrand, drehte die Dusche auf und verpasste Tads Kopf einen ordentlichen Schwall kaltes Wasser. Prustend richtete Tad sich auf. Harry hatte ihm die Hand auf die Schulter gelegt, und bevor er wusste, wie ihm geschah, steckte er in einem Polizeigriff, der ihm bis in die Wirbelsäule wehtat und seinen Kopf zu Boden zwang.
    »Tad, ich bin’s.« Harrys Nase berührte die Fliesen. »Harry! Du kennst mich doch!«
    »Oh«, machte Tad, ließ seinen Arm los und plumpste schlaff mit dem Rücken gegen die Wand. Er legte sich einen Arm über die Augen, um sie vor dem Badlicht zu schützen. »Sind noch Erdnüsse da?«
    »Die hast du alle aufgefuttert. Du hast es verkackt, Tad. Und zwar gründlich. Wir hatten eine Abmachung, und du hast sie gebrochen.«
    Tad hielt sich weiter den Arm vor die Augen. Plötzlich wirkte er nüchtern. »Heute sind sie gestorben. Kommt mir gar nicht so lange her vor, Harry. Wie gestern, verdammt noch mal. Mein Junge, der wäre jetzt in deinem

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