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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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vermisste Kinder. Aber wie ich höre, haben Sie ein bisschen was anderes für mich.«
    Cardinal reichte ihr das Gruppenfoto und erklärte ihr, wassie brauchten. Während sie sich unterhielten, schob Ms. Stead das Bild in den Flachbett-Scanner, und es erschien, Stück für Stück, auf dem Mac-Bildschirm hinter ihr. Während sie weiter zuhörte, drehte sie sich auf ihrem Schreibtischsessel um und machte sich mit der Maus an die Arbeit. Nachdem sie hier ein bisschen weggeschnitten, dort ein bisschen vergrößert hatte, füllten Kopf und Schultern von Yves Grenelle bald fast den ganzen Monitor aus.
    »Wenn Sie seinen richtigen Namen nicht kennen, nehme ich an, dass Sie mir auch keine Fotos von Mama und Papa oder Oma und Opa geben können, oder?«
    »Leider nein.«
    »Damit arbeiten wir natürlich meistens. Wenn Sie, bei einem vermissten Kind zum Beispiel, wissen wollen, wie der Betreffende sieben Jahre später aussieht, dann agen Sie ihn in Richtung seiner Eltern. Ohne solche Informationen wissen wir nicht, ob Ihr Mann dünn oder dick ist, behaart oder kahl.«
    »Dann ist die ganze Sache vielleicht keine so gute Idee«, sagte Delorme.
    »O nein, ich kann Ihnen trotzdem helfen. Worum es immer geht, ist der Kampf des Menschen mit der Schwerkraft. Im Wesentlichen senkt sich alles – das Fleisch neigt sich zur Erde, Knorpel werden länger, die Nase fängt an, sich nach unten zu biegen. Ein schlimmer Konstruktionsfehler. Aber wenn wir wie hier keine genetischen Eingaben machen können, tun wir Folgendes: Wir geben Ihnen mehrere Möglichkeiten an die Hand – wobei wir die Variablen berücksichtigen, die ich eben nannte, und natürlich auch die Frisuren auf den neusten Stand bringen und so weiter. Was können Sie mir über die Lebensweise von diesem Burschen sagen? Trinkt er? Raucht er? Macht er Bodybuilding? Ist er Gesundheitsfanatiker? All das hat Einfluss darauf, wie Menschen altern.«
    »Also, jetzt komme ich mir wirklich ziemlich blöd vor«, sagte Cardinal. »Ich hab die Leute, die ihn kannten, nicht einmalnach solchen Dingen gefragt. Es war eine spontane Idee, hierher zu kommen.«
    »Das ist schon in Ordnung. Auch wenn ich Zivilistin bin, ist mir schon klar, dass euereins mir nicht absichtlich die Arbeit schwer macht, auch wenn ihr genau das ständig tut.«
    »Wie hoch ist die Chance, dass eine Ihrer Varianten der Realität nahe kommt?«, fragte Delorme.
    »Falls er dick und glatzköpfig ist, dann wird ihm die dicke und kahlköpfige Version ziemlich ähnlich sehen. Nicht nur ein bisschen, sondern sehr. Natürlich können Sie es ohne Fingerabdrücke oder DNA oder sonst irgendetwas nicht vor Gericht verwerten, aber tatsächlich verändern sich die Proportionen eines Gesichts nicht. Daher kommt es, dass Sie, wenn Sie jemanden, sagen wir, dreißig, vierzig Jahre nicht mehr gesehen haben und er plötzlich nah genug vor ihnen steht, ihn, kaum dass er den Mund aufmacht und Sie ihm in die Augen sehen, auf Anhieb wiedererkennen.«
    »Um uns alle diese Varianten zu geben«, sagte Cardinal, »brauchen Sie vermutlich ein paar Tage?«
    »Sie müssten sie eigentlich bis morgen haben.«
    »Tatsächlich? Musgrave hat gesagt, dass Sie gut sind.«
    »Sergeant Musgrave von den Mounties! Ich liebe den Mann! Ich möchte wetten, der ist schon mit dem Kasack und dem Smokeyhut auf die Welt gekommen.«
    »Sie hat recht, wenn sie sagt, dass Leute unterschiedlich altern«, sagte Delorme, als sie wieder am Wachtisch waren. »Ich kann nur hoffen, dass ich so gut aussehe, wenn ich in ihrem Alter bin.«
    »Sie müssen nur immer schön diese Poutine essen«, sagte Cardinal.
    »Haben Sie die Plakette in ihrer Kabine gesehen?«
    »Hab ich. Miriam Stead war beim letzten New Yorker Marathon unter den ersten zwanzig Senioren.«
    Nach ungefähr dem tausendsten Telefonat von Jerry Commandabei der Provinzpolizei Ontario (»Um Himmels willen, Cardinal, bleiben Sie bloß in Toronto! Diese Stadt ist zugefroren, ich mach keine Witze.«) gelang es Cardinal, mit Hilfe der OPP einen Helikopter zu bekommen.
     
    Es war eine Sache, ständig von Glatteis zu hören, und eine ganz andere, es mit eigenen Augen zu sehen. Der Pilot erzählte ihnen, dass die Situation in Algonquin Bay »ziemlich haarig« sein sollte, aber das kenne man ja bei dem Wetter da oben. »Wir haben erst mal eine zwei- bis dreistündige Regenpause, wir sollten also keine Probleme kriegen. Für Flugzeuge ist die Landebahn allerdings unbrauchbar«, erzählte er ihnen. Danach wurde jede Konversation

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