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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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hinten.«
    »Ste-Agathe. Überragt immer noch alles weit und breit.«
    Die neugotischen Umrisse des Turms hatten vor der schweren Wolke etwas Theatralisches. Cardinal zog das Foto aus der Tasche, die vier grinsenden Terroristen. Der Blick aus dem Fenster war anders. Es war Sommer, damals; die Bäume waren grün und trugen volles Laub. Doch der Blick auf die andere Straßenseite war ansonsten unverändert: ein braunes Ranchhaus aus Holz, mit einer dicken Zeder davor, und ein Stück weiter rechts, über den Dächern in der Ferne, die Turmspitze von Ste-Agathe. »Das wurde hier gemacht«, sagte Cardinal. »Das Bild wurde in diesem Zimmer gemacht.«
    »Mit Sicherheit«, sagte Mr. Lamotte, der ihm über die Schulter blickte. »Das ist das Haus gegenüber. Und da ist die Kirche.«
    Cardinal konnte es kaum abwarten, die Neuigkeit Delorme zu erzählen, doch als er in den Wagen stieg, sah er, wie Hawthorne auf dem Beifahrersitz hockte und schluchzte wie ein Kind, und ausnahmsweise schien Delorme einmal nicht zu wissen, was sie machen sollte.
    Sie warteten ein paar Minuten. Hawthorne zog ein Taschentuch heraus und wischte sich die Augen, schnäuzte sich die Nase und lehnte sich schließlich erschöpft zurück. »Gott«, sagte er und schüttelte mehrmals langsam den Kopf. »Soll ich Ihnen sagen, was das Idiotischste bei der ganzen Geschichte ist?«
    »Sicher«, sagte Cardinal.
    »Ich hab ihnen das gleich am ersten Tag gesagt. Sie hatten mich hingesetzt und mir die Kapuze übergestülpt und mein Handgelenk am Bettrahmen festgemacht. Sie hattenaufgehört, sich gegenseitig zu ihrem wundervollen Sieg zu beglückwünschen und so. Und als es still war und nur noch zwei von ihnen im Zimmer waren, habe ich zu ihnen gesagt: ›Mes pauvres amis‹, habe ich gesagt. ›Ich fürchte, ich habe schlechte Nachrichten für Sie. Um die Wahrheit zu sagen, bin ich nicht mal Engländer, wissen Sie. Wenn Sie also glauben, dass Ihrer Majestät Regierung auch nur einen Finger krumm macht, um mich zu retten, irren Sie sich gewaltig.‹«
    Delorme sah ihn an. »Sie sind kein Engländer?«
    »Nein, Madam. Das ist ja das Lächerliche.« Hawthorne schüttelte wie vor Staunen über das ganze Ausmaß menschlicher Dummheit den Kopf, und seine nächste Bemerkung kam in einem Ton, als könne er es immer noch nicht fassen. »Ich bin Ire.«

24
     
    D en Rest des Tages verbrachten sie mit der Monotonie modernen Reisens. Zuerst kam die verregnete Autofahrt zum Flughafen Dorval. Dann die lange Wartezeit, die durch die Weigerung Air Canadas, mehr Information herauszurücken als »Eisglätte in Ontario«, nicht unbedingt erleichtert wurde. Sie zückten beide ihre Handys. Cardinal rief Musgrave an.
    »Ich hab hier war für Sie, das Sie unter gesicherte Fakten verbuchen können«, sagte Musgrave. »Leon Petrucci hat nicht die Ermordung dieses Mannes befohlen, und Leon Petrucci hat auch nicht Paul Bressard angewiesen, ihn an die Bären zu verfüttern, und Leon Petrucci hat nicht diesen Zettel geschrieben.«
    »Und wieso nicht?«
    »Leon Petrucci ist tot.«
    »Tot?«
    »Ja. Leon Petrucci ist hundertprozentig tot. Er hat sich vor zwei Monaten unten im Toronto General noch mal operieren lassen und ist in ein Koma gefallen, aus dem er nicht mehr aufgewacht ist. Er ist letzten Dienstag vor einer Woche gestorben – lange bevor Ihr Opfer in Algonquin Bay auftauchte.«
    »Und wieso stand das nicht in der Zeitung?«
    »Kommt noch. Er hat sich nicht unter seinem richtigen Namen angemeldet.«
    »Jeder Zweifel ausgeschlossen?«
    »Cardinal, ich bin bei der RCMP. Organisiertes Verbrechen ist unser Metier. Wer auch immer Miles Shackley ermordet hat, glauben Sie mir, Leon Petrucci war es nicht. Und apropos vertrauensvolle Zusammenarbeit, ich möchte mich auf das Herzlichste für Ihre prompte Mitteilung bedanken, dass Squier gekündigt hat«, sagte Musgrave. »Geht doch nichts über eine lückenlose Information unter Kollegen.«
    »Tut mir leid. Aber ich hatte wirklich noch keine Gelegenheit. Wissen Sie, dass Squier sich am Ende wahrhaftig als nützlich erwiesen hat?«
    »Bestimmt aus Versehen. Ich muss Ihnen allerdings sagen, dass der Druck laut meiner Quelle im CSIS von ziemlich weit oben kam. Gestern Morgen bekamen sie Besuch – keinen Anruf, sondern einen Besuch – von Jim Coultier höchstpersönlich. Wissen Sie, wer Jim Coultier ist?«
    »Hab den Namen schon mal gehört.«
    »Stellvertretender Leiter der CSIS-Einsatzzentrale in Ottawa und ein richtiger Mistkerl – ehemaliger

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