Blutiges Eis
Schindelhütte des Loon Lodge betreten, diejenige, auf der Büro stand. Sie war viermal so groß wie die vermieteten, und der Eigentümer wohnte darin mit Frau und Kindern. Es war ein eierköpfiger Mann namens Wallace. Sein Gesicht war aufgedunsen, mit einem leidenden Ausdruck, als ob er Zahnschmerzen hätte. Ein nicht minder eierköpfiger und untröstlicher vierjähriger Junge sah nebenan Zeichentrickfilme im Fernsehen. In der Luft hingen Essensgerüche, und Cardinal merkte auf einmal, dass er Hunger hatte.
Wallace zog ein Reservierungsbuch hervor, fand den Namen und drehte das Buch auf der Theke um.
»Howard Matlock«, las Delorme laut, »East Ninety-first Street, New York City.«
»Ich wünschte, ich hätte den Typ nie zu Gesicht bekommen«, sagte Wallace. »War absolut tote Hose letzte Woche, also hab ich mich wie’n Schneekönig gefreut, als er auftauchte, auch wenn er nur für’n paar Tage bleiben wollte.«
»Ford Escort«, las Delorme und notierte sich das Kennzeichen.
»Genau«, sagte Wallace. »Knallrot. Hab ich allerdings schon seit’n paar Tagen nicht mehr gesehen.«
»An welchem Tag ist er angekommen?«, fragte Cardinal.
»Donnerstag, glaube ich. Ja, Donnerstag. Ich hatte gerade ein paar Indianer weggeschickt, die sich einmieten wollten. Tut mir leid, egal, wie viel ich frei hab, an die Typen vermiete ich nicht. Hab einfach keinen Bock mehr, das Blut und die Kotze wegzuwischen. Man hat schließlich nen Ruf zu verlieren.«
»Dann kann ich nur für Sie hoffen, dass keiner von denen Sie wegen Diskriminierung anzeigt«, sagte Delorme.
»Die Leute haben ja keine Ahnung von Indianern. Stecken Sie mal zwei oder drei von denen zusammen, ne Flasche Four Aces dazu, und Sie haben ne Hütte, die Sie nicht wieder vermieten können.«
»Und was haben Sie jetzt?«
»Sie sagen, Sie haben den Schlüsselanhänger nem Toten abgenommen?« Er zeigte auf die geschmolzene Masse in der Tüte, die Cardinal auf die Theke gelegt hatte.
»So ungefähr.«
»Dann hab ich vermutlich ne offene Rechnung und einen Mieter, der nicht mehr am Leben ist.« Wallace schüttelte den Kopf und stieß einen leisen Fluch aus. »Haben Sie auch nur die leiseste Ahnung, wie lange es dauert, bis man sich einen Namen gemacht hat wie hier mit dem Loon Lodge? So was geht nicht über Nacht.«
»Sicher nicht«, sagte Cardinal. »Hat Mr. Matlock erwähnt, was ihn nach Algonquin Bay brachte?«
»Ich sag Ihnen was, nur ein solcher Fall, und die ganze Mühe – das gewisse Etwas, das einem Motel die besondere Note verleiht – all das war für die Katz. Da könnte ich genauso gut mein Schild abmachen und gleich Konkurs anmelden.«
Cardinal fragte sich, woher ein notorischer Schwarzseher wie Mr. Wallace überhaupt den Optimismus genommen hatte, ein Motel zu eröffnen, doch er hielt sich an seine erste Frage. »Hat Mr. Matlock gesagt, was ihn nach Algonquin Bay brachte?«
»Eisfischen, hat er gesagt.«
»Nicht ’n bisschen früh dafür? Selbst ohne den Wärmeeinbruch.«
»Genau das hab ich auch zu ihm gesagt. Hab ihm gesagt, dass in den nächsten vierzehn Tagen kein Mensch auf diesen See rausgeht, selbst ohne die Wärme. Das wüsste er auch, hat er gesagt. Er wär nur hier, um die Gegend schon mal für einpaar Kumpel auszukundschaften, die Ende Februar mit ihm herkommen wollten.«
»Aus New York?«, fragte Delorme. »Ist das nicht ein bisschen weit, nur um eine gute Stelle zum Eisfischen zu finden?«
Wallace zuckte die Achseln. »Amerikaner.«
Er schnappte sich einen Schlüssel von dem Brett hinter ihm, und sie folgten ihm nach draußen, an mehreren Hütten vorbei.
»Hab noch nie verstanden, was daran so sportlich sein soll«, sagte Cardinal zu Delorme. »Die Fische sind starr vor Kälte. Sie sind halb verhungert. Was soll daran so toll sein? Ist doch kein Kunststück, in einem schäbigen Verschlag über einem Loch zu hocken.«
»Sie vergessen das Bier.«
»Oh, vergessen Sie ja nicht das Bier«, sagte Wallace. »Sie glauben nicht, wie viele Kisten die Jungs da rausschleppen. Ich hab in jeder Hütte einen Schlitten stehen, offiziell für die Kinder, aber sehen Sie hier irgendwo Rodelhänge? Sie benutzen sie, um darauf ihre Bierkisten auf den See zu ziehen.«
»Sie sagen, Mr. Matlock kam am Donnerstag an. Wann haben Sie bemerkt, dass der Wagen nicht mehr da ist?«
»Ich glaub, so am Samstag. Vor zwei Tagen. Ja, genau. Weil ich ihn am Freitag gebeten hab, ihn woanders hinzustellen. Hatte ihn auf dem Platz für Nummer vier stehen. Nicht
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