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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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den Eingang. »Ist das eine Trapperhütte?«
    »Ganz und gar illegal natürlich«, sagte Cardinal. »Sie bauensie sich, wo und wie es ihnen passt. Fragt sich nur, wessen Trapperhütte. Es muss mindestens ein Dutzend Kerle geben, die sich hier draußen ihre Brötchen verdienen.«
    Collingwood war ein junger Mann mit Segelohren, der gründliche Arbeit leistete und kein Wort zu viel sagte. Cardinal konnte die vollständigen Sätze, die er während seiner ganzen bisherigen Laufbahn von sich gegeben hatte, an den Fingern einer Hand abzählen, denn Collingwood hatte die Neigung, wenn er schon mal den Mund aufmachte, in einzelnen Wörtern zu reden. Er wies schweigend auf die Spülbecken. Sie hatten diese Art Pumpenschwengel, wo man die Wasserhähne erwarten würde. Collingwood zog sich Latexhandschuhe an und steckte den Finger in den Ausguss. Als er ihn wieder herauszog, war er fleckig.
    »Ist das Rost oder Blut?«, fragte Cardinal.
    »Blut.«
    »Er könnte demnach hier getötet worden sein. Andererseits könnte es auch einfach nur Tierblut sein.«
    Delorme kniete inzwischen vor dem Holzofen. »Offenbar hat jemand versucht, in dem Ding Kleider zu verbrennen. Collingwood, haben Sie eine Staubdecke?«
    Collingwood machte ein Lederköfferchen auf, das alle Werkzeuge seiner Zunft enthielt, und zusammen breiteten sie ein dünnes Plastiktuch aus – weiß, damit Beweismaterial darauf gut zu sehen war. Mit einer Pinzette zogen sie die verkohlten Reste aus dem Ofen. Sie fanden eine Jeans, von der nur noch der Bund übrig geblieben war, einen Hemdkragen, mehrere Knöpfe, den größeren Teil von zwei Schuhsohlen und einen Klumpen bis zur Unkenntlichkeit verbranntes Material.
    Collingwood entnahm seinem Köfferchen ein Instrument und maß damit die Größe der Schuhsohlen. »Größe 45.«
    »Gut«, sagte Cardinal. »Wir brauchen auch noch die Konfektionsgröße des Hosenbunds und des Hemdkragens, falls davon genug übrig ist, um es zu messen.«
    Delorme stocherte äußerst behutsam mit der Pinzette in der Asche herum. »Was ist das denn?« Sie hatte nur laut gedacht.
    In der Pinzette hing ein Klumpen geschmolzenes Metall. Sie legte es auf die Staubdecke. Die Rückseite war glänzender, und darauf war der Umriss eines Tiers noch teilweise zu erkennen.
    »Sieht wie ein Seetaucher aus«, sagte sie. Sie warf den beiden Männern einen fragenden Blick zu.
    Cardinal lehnte sich über ihre Schulter, um besser sehen zu können. »Ich glaube, ich weiß genau, was das ist.«

4
     
    D as nördliche Ufer des Lake Nipissing gehört zu den malerischsten Flecken in ganz Ontario, doch beim Anblick des Lakeshore Drive – einer Straße, die am Steilufer der Bucht, der Algonquin Bay seinen Namen verdankt, entlangführt – hätte man meinen können, sie sei nur gebaut worden, um diese Tatsache vor der Öffentlichkeit geheim zu halten. Sie hatte schon immer die hässlichsten Häuser geradezu magisch angezogen. An der Seeseite wimmelte es von Fastfoodbuden, Tankstellen und Motels mit exotischen Namen, denen jeder Charme abging; auf der anderen Seite reihten sich Einkaufszentren aneinander.
    Loon Lodge befand sich am westlichen Ende dieser Ansammlung von Scheußlichkeiten. Es war streng genommen kein richtiges Motel, sondern eine Gruppe von winzigen weißen Hütten mit grünen Fensterläden und Gardinen im Bauernstil, die noch aus den Fünfzigern stammten, bevor der Blockhausstil in Mode kam. In Algonquin Bay glauben viele, solche Etablissements seien im Winter geschlossen, doch in Wahrheit verfügen sie auch in der kalten Jahreszeit über zweierlei Einnahmequellen. Die eine sind die Angler, die im Eis fischen, jene Zahnärzte und Versicherungsvertreter, die sich ein paar Tage freinehmen und mit ihren Kumpels nach Norden fahren, um sich gegenseitig unter den Tisch zu trinken. Die andere Kundschaft sind Leute, die eine spottbillige Bleibe suchen, und nichts ist außerhalb der Saison billiger als eine Hütte am Lakeshore Drive.
    Cardinal war nicht zum ersten Mal in der Loon Lodge. Es kam immer mal wieder vor, dass einer der hier überwinternden Bewohner seiner Frau die Zähne ausschlug. Oder die Frau hatte von der Sauferei ihres Mannes genug und jagte ihm ein Steakmesser fein säuberlich zwischen die Rippen. Abund zu gab es Drogendealer. Im Sommer dann sah man nur noch sonnengebräunte Amerikaner, Familien mit knapper Haushaltskasse, die sich den verlässlich schwachen kanadischen Dollar zunutze machten.
    Cardinal und Delorme hatten die erste weiße

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