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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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hatte er es im Auto gelassen. Wenn wir den Wagen finden …«
    Sie standen sich mitten in der Hütte gegenüber. Wir warten auf die zündende Idee, dachte Cardinal. Eine Theorie.
    »Das ist alles ziemlich bizarr«, sagte Delorme. »Soweit wir wissen, kam Howard Matlock, staatlich geprüfter Steuerberater, hier rauf, um sich nach einer Stelle zum Eisfischen umzusehen. Hier angekommen, macht er eine Fahrt mit dem Auto – ohne seine Brieftasche – und wird getötet. Vielleicht wollte ihn jemand ausrauben und hat ihn aus Wut umgebracht, weil er seine Brieftasche nicht dabeihatte.«
    »Danke, Detective Delorme. Damit wäre ja alles geklärt. Offensichtlich können wir den Fall bereits abschließen.«
    »Schon gut. Ich geb zu, es ist noch ein bisschen löchrig.«
    »Ich glaube, wir finden beide die Sache mit dem Eisfischen ein bisschen dünn. Und …«
    »Und was? Sie sehen besorgt aus.«
    »Ich hab irgendwie ein ziemlich mieses Gefühl bei dem Ganzen. Mein Guru bei der Kripo Toronto pflegte zu sagen: Wenn man noch im Dunkeln tappt, wer der Täter ist, sind drei Dinge nötig, um den Fall zu lösen – Talent, Ausdauer und Glück. Fehlt auch nur eins davon, knackt man ihn nicht. Halten Sie mich nicht für eingebildet, aber die ersten beiden Voraussetzungen machen mir kein Kopfzerbrechen.«
    »Ich weiß. Das Problem ist, wenn wir nicht glauben, dass Matlock als Kundschafter fürs Eisfischen raufkam, haben wir nicht den blassesten Schimmer, was er dann hier gemacht hat oder wen er hier vielleicht treffen wollte, geschweige denn, wer ihn töten wollte.«
     
    Sie gaben eine Fahndung nach Matlocks rotem Ford Escort heraus, einem Mietauto von der Avis-Filiale am Torontoer Pearson Airport. Die Suche im Wald wurde bis zum Einbruch der Dunkelheit fortgesetzt. Sämtliche Körperteile, die sie finden konnten, wurden gesammelt und zur Gerichtsmedizin in Toronto verbracht. Die Luftaufnahmen wurden entwickelt und ans Anzeigenbrett bei der Spurensicherung geheftet. Die Polyester-Ballons glitzerten zwischen den nebelverhangenen Bäumen, doch ein Muster ließ ihre Anordnung nicht erkennen.
    Wieder am Schreibtisch, verbrachte Cardinal gut zwei Stunden damit, seine Berichte für den zurückliegenden Tag zu schreiben, und er wünschte sich, er hätte auch nur die blasseste Vorstellung, wie sie weiter vorgehen sollten. Er war müde und hungrig und freute sich auf Catherine, doch er wollte nicht nach Hause gehen, solange er das Gefühl hatte, dass sie sich in einer Sackgasse befanden. Er musste ein Weilchen allein sein, ohne diese Berichte, ohne den Lärm seiner Kollegen, die sich quer durch den Saal unterhielten, um über Howard Matlock nachzudenken und über die Frage, warum dieser Amerikaner in Algonquin Bay den Tod fand.
    Unten am See war der Nebel immer noch dicht, wie graue Watte zwischen den Hütten und Bäumen festgeklemmt. Das Zu Vermieten -Schild des Loon Lodge schimmerte mattrot. Der Parkplatz war leer.
    Cardinal öffnete die Tür zu Howard Matlocks Hütte und duckte sich unter dem gelben Flatterband hindurch. Drinnen knipste er den Schalter, doch es ging kein Licht an; vermutlichhatte der Eigentümer den Strom abgeschaltet, bis er wieder einen zahlenden Gast hatte. Es gab auch keine Heizung. Cardinal machte seine Taschenlampe an und ließ den Lichtkegel über das Bett, den Stuhl, den Nachttisch gleiten. Die Spurensicherung war draußen im Wald so beschäftigt gewesen, dass sie hier vor morgen oder übermorgen nicht durch sein konnten. Howard Matlocks persönliches Eigentum war noch da, inklusive des erst zur Hälfte gerauchten Marlboro-Päckchens neben der Loon-Lampe.
    In der Dunkelheit und der Stille versuchte Cardinal noch einmal, sich vorzustellen, was hier passiert sein könnte. Im Geiste sah er den Amerikaner in dem weißen Weidenstuhl vor dem winzigen Fernseher sitzen, als es an der Tür klopft. Aber wer war zu ihm hereingekommen, hatte ihn getötet und in seinem eigenen Auto abtransportiert? War ihm aus New York jemand gefolgt?
    Cardinal saß auf der Bettkante. Diesen Fall lösen zu wollen war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Jedes zweite Mal war es – zumindest an einem Ort wie Algonquin Bay – der Mörder selbst, der die Polizei zum Tatort holte. Hier hatten sie nun mal ein wirklich mysteriöses Verbrechen, und Cardinal hatte nicht den geringsten Anhaltspunkt. Ein Amerikaner war hier in seine Stadt gekommen und hatte es – falls ihm niemand gefolgt war – geschafft, in kürzester Zeit jemanden so gegen sich

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