Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
Vom Netzwerk:
hingegangen? Und wieso hat sie niemandem Bescheid gegeben?«
    »Haben Sie irgendeinen Grund zu der Annahme, dass irgendjemand ihr Schaden zufügen könnte? Hatte sie Ihres Wissens irgendwelche Feinde?«
    »Ich kann nicht glauben, dass irgendjemand den geringsten Grund hätte, Winter etwas antun zu wollen. Sie hatte überhaupt keine Feinde. Sie ist einfach der netteste Mensch, den Sie sich denken können. Intelligent, witzig, zuverlässig – großartige Ärztin. Fragen Sie jeden, der mit ihr zusammenarbeitet. Es gibt keinen, den sie lieber im OP dabeihaben wollen.«
    »Wir werden selbstverständlich noch mit ihren anderen Kollegen sprechen«, sagte Delorme. »Aber was ist mit einem Freund? Ist sie mit jemandem zusammen, den Sie kennen?«
    Dr. Perry sah zu Boden. Ihre OP-Haube verrutschte, und sie zupfte sie geistesabwesend wieder zurecht. »Winter hat einen Freund von früher, der, na ja, problematisch ist. Aus Sudbury. Craig Soundso. Ich hab ihn einmal kennen gelernt. Ich glaube, sie hat mir seinen Nachnamen nie genannt. Ich war einmal bei ihr zu Hause – wir wollten gerade essen gehen und danach ins Kino –, und dieser Craig steht auf einmal in der Tür. ›Ich kann jetzt nicht‹, sagt Winter zu ihm. ›Ich gehe aus.‹ ›Kein Problem‹, sagt er, ›ich fahr euch!‹ Es war wirklich schwer für sie, ihn loszuwerden.«
    »Kam er Ihnen gefährlich vor?«
    »Oh, nein. Ich fand es nur ein bisschen seltsam, dass er einfach so aufkreuzt. Winter sagte, das sei typisch für ihn. Offenbar hatte sie ihm schon längst gesagt, dass es vorbei ist, aberer tut beharrlich so, als wär nichts gewesen. Er hat immer gehofft, dass sie nach Sudbury zurückkommt, wenn sie mit dem Studium fertig ist. Aber sie wollte nicht zurück.«
    »Wegen ihm?«, fragte Delorme.
    »Oh, keine Ahnung. Ich will den Kerl nicht zu einem Ganoven hochstilisieren. Ich glaube, sie hatte einfach keine Lust, in ihrer Heimatstadt zu bleiben. Das können Sie sicher nachvollziehen?«
    Eigentlich hatte Delorme nie woanders leben wollen als in ihrer Heimatstadt. Selbst als sie an die Uni in Ottawa ging – und danach auf die Polizeiakademie in Aylmer –, hatte ihr Algonquin Bay gefehlt. Es war etwas Besonderes, wenn man in der Stadt leben konnte, die einen geprägt hatte – dieses Gefühl von Rückhalt und Kontinuität –, das keine andere Stadt, wie reizvoll oder kosmopolitisch sie auch sein mochte, ersetzen konnte. Aber sie wusste auch, dass andere das anders sahen.
    »Gibt es noch irgendjemanden, mit dem Dr. Cates Probleme hat? Hat sie irgendetwas erwähnt?«
    »Na ja, sie hatte so was wie eine Auseinandersetzung mit Dr. Choquette, aber nichts Ernstes.«
    »Was für eine Auseinandersetzung? Worüber?«
    »Winter hat Ray Choquettes Praxis übernommen, als er sich zur Ruhe setzte, und es gab ein paar Missverständnisse über ihre Abmachungen.«
    »Er hat ihr die Praxis verkauft?«
    »Nein, eine Arztpraxis können Sie nicht verkaufen, nicht in Ontario. Wahrscheinlich ging es um die Ausstattung oder etwas in der Art. Jedenfalls hat sie sich darüber geärgert.« Dr. Perry sah auf die Uhr und stand auf. »Ich muss jetzt wirklich. Hören Sie, Winter ist ein feiner Kerl. Ich meine, sie ist wirklich etwas Besonderes. Sie macht Menschen glücklich. Ich könnte es nicht ertragen, wenn ihr etwas zugestoßen wäre.«
    »Es sind noch keine vierundzwanzig Stunden vergangen«,sagte Delorme in bester Krankenschwestermanier, »wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
     
    Dr. Cates’ Wohnung lag in der Twickenham Mews, einer teuren Gruppe von niedrigen Häusern am Ende einer kurzen Straße hinter der Algonquin Mall. Delorme konnte sich noch an die Zeile weiß getünchter Bungalows erinnern, die dem Erdboden gleichgemacht wurden, um für das Einkaufszentrum Platz zu schaffen. Mit seinen roten Backsteinhäusern und den Zedern gehörte Twickenham Mews zu den attraktivsten Ecken weit und breit. Es wirkte heimelig – für ein Appartementhaus, man bekam richtig Lust, hineinzugehen, besonders da der Nebel jetzt wieder in Regen überging.
    Delorme klingelte bei der Hausmeisterin, einer Mrs. Yvonne Lefebvre. Sie erschien an der Tür, eine spindeldürre Frau in ihren Vierzigern mit rot geränderten Augen und einem Taschentuch vor dem Gesicht. »Allergie«, sagte sie. »Im Frühling, Sommer, Herbst und Winter. Ich weiß nicht, ob es vom Schimmel kommt oder was. Ich weiß nur, dass eine die andere jagt.« Sie unterstrich ihre Ausführungen mit einem Nieser.
    Als Delorme

Weitere Kostenlose Bücher