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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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Sie sie überhaupt mal mit irgendjemandem gesehen?«
    »Ihre Eltern sind mal zu Besuch gekommen. Und ich hab sie ein paarmal mit ner rothaarigen Frau gesehen.«
    »Klein? Strahlend blaue Augen?«
    »Kann sein.«
    Das konnte nur Dr. Perry gewesen sein.
    »Haben Sie sie jemals mit einem Mann zusammen gesehen?«
    »Ja, hab ich, jetzt, wo Sie’s sagen. War nicht sonderlich groß. Ganz kurzes Haar und sehr höflich. Hat mir die Tür aufgehalten. Ich erinnere mich dran, weil ich dachte, Honey, den Kerl solltest du heiraten. Sie ist so hübsch, dass ich mich schon gefragt hab, warum sie keinen Kerl hat. Sicher, Ärzte haben immer so viel zu tun …«
    Delorme ging ins Schlafzimmer. Auf dem Nachttisch standen ein Telefon und ein Anrufbeantworter, auf dem eine Vier leuchtend rot blinkte. Delorme drückte mit der Spitze eines Kugelschreibers auf die Abspieltaste. Die elektronische Stimme eines Computerchips kündigte die erste Nachricht von 10.15 Uhr morgens an. Es folgte die Stimme von Dr. Perry, die Winter fragte, wo sie geblieben sei und ob sie den OP-Termin vergessen habe.
    Zweite Nachricht, gleichfalls Dr. Perry.
    Die dritte Nachricht kam von jemandem namens Melissa, vermutlich der Sekretärin von Dr. Cates, die wissen wollte, wo sie sei, das Wartezimmer fülle sich allmählich.
    Delorme drückte auf den Knopf für alte Nachrichten. Diese Aufnahmen hatten keine Uhrzeit und kein Datum mehr. Die Stimme eines jungen Mannes meldete sich. Winter, ich bin’s. Tut mir leid, wie ich mich neulich benommen habe, ich war nur so aufgeregt. Ich muss dich sehen. Ich kann nicht Monatfür Monat so weitermachen wie du. Am Wochenende ist es am schlimmsten. Bitte ruf an – Gott, ich klinge, als würde ich dich anflehen. Ja, ich flehe dich an. Bitte ruf zurück. Ich liebe dich .
    Der nächste Anruf mit derselben Stimme: Ich weiß, dass du da bist, Winter. Ich weiß, dass du deine Anrufe abhörst. Wieso kannst du mich nicht einfach zurückrufen? Weißt du, manchmal bekomme ich zwanzig oder dreißig Anrufe am Nachmittag – zum großen Teil von Leuten, die ich nicht kenne –, und ich rufe alle zurück. Du behandelst mich schlimmer, als ich einen Wildfremden behandeln würde. Ich würde niemandem antun, was du mir antust.
    Dritte Nachricht: Inzwischen mit verzweifeltem Unterton: Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Winter. Ich werd hier noch wahnsinnig. Ich schnapp einfach über. Ich kann nichts essen, ich kann nicht klar denken, ich krieg kaum Luft. Das tust du mir an. Ich weiß einfach – ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll. Bitte ruf an. Unter der Handynummer.
    Dr. Perry hatte den Namen des Exfreunds erwähnt, Craig Soundso. »Klingt ganz danach, dass Craig Soundso total verknallt ist«, murmelte Delorme vor sich hin. »Klingt ganz danach, dass Craig Soundso bald durchdreht.«
    Aber aus welchem Grund behielt eine Frau solche Anrufe auf dem Band? Warum löschte sie sie nicht sofort? Behielt sie sie als Beweis dafür, dass der Kerl sie belästigte, ihr nachstellte? Andererseits konnte es gut sein, dass sie nur vergessen hatte, sie zu löschen.
    Delorme wandte sich dem Knäuel aus Steppbett, Kissen und Daunendecke zu. Sie schlug sie vorsichtig zurück; nichts deutete auf Sex hin.
    Sie ging zum Wandschrank. Die Ärztin war kein Modepüppchen. Die Sachen auf den Bügeln schienen zur Hälfte aus Jeans zu bestehen, und die Fächer waren voll mit Sweatern. Es hing ein angenehmer Duft nach einem leichten Parfüm und Lederschuhen in der Luft.
    Sie zog ein gerahmtes Foto unter den Sweatern hervor. Darauf war ein junges Paar – eine jüngere Ausgabe von Dr. Cates in den Armen eines jungen Mannes. Sie war für einen gesellschaftlichen Anlass gekleidet, doch was Delorme den Atem verschlug, war die Kleidung des Mannes: der hohe, steife Kragen, die Epauletten, der Kasack aus roter Serge.
    Delorme ging ins Wohnzimmer und zeigte das Bild Mrs. Lefebvre. »Ist das der Mann, den Sie mit Dr. Cates zusammen gesehen haben?«
    »Mensch Meier«, sagte Mrs. Lefebvre und putzte sich erst mal die Nase. »Und ob er das ist. Hätte nie gedacht, dass der bei den Mounties ist.«

11
     
    D as Gebäude des Healing Arts Centre ist ein Kasten aus gelben Ziegeln nach dem Geschmack der Sechziger. Es steht gleich vorne in der Algonquin Avenue, direkt hinter der Umgehungsstraße zum Highway 11. Der größte Laden im Erdgeschoss ist der Shoppers Drug Mart, umgeben von einem Waschsalon, einer Reinigung und verschiedenen kleinen Geschäften. Darüber befinden sich fünf

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