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Blutiges Eis

Blutiges Eis

Titel: Blutiges Eis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Blunt
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vierundzwanzig Stunden unauffindbar war.
    »Ich würde gerne Dr. Nita Perry sprechen«, sagte Delorme zu der Dienst habenden Schwester. »Könnten Sie sie wohl für mich anpiepen?«
    Delorme setzte sich in einen Aufenthaltsraum und wartete. Im Fernseher, der in der Ecke stand, erklärte Geoffrey Mantis, Premierminister von Ontario, gerade, warum die Lehrer künftig länger arbeiten müssten.
    »Klar doch«, sagte Delorme Richtung Mattscheibe. »Als ob du vorhättest, länger zu arbeiten.« Mantis schien nichts anderes zu tun, als für die eigene Gehaltserhöhung zu sorgen und in Urlaub zu gehen. Delorme hatte nie gedacht, dass Golf ein Sport rund ums Jahr sein könnte. Aber sie hatte gelernt, im Kommissariat ihre politischen Überzeugungen für sich zu behalten. Eindeutig Tory-Terrain, mit Ausnahme von Cardinal. Soweit sie wusste, waren sie beide die einzigen Cops, für die Mantis nicht der große Lokalmatador war.
    Eine junge Frau in OP-Handschuhen kam herein. Sie war klein – gut sechs Zentimeter kleiner als Delorme. Ihr rotes Haar hielt sie sich mit zwei schlichten Haarklämmerchen aus dem Gesicht. »Ich hab nur einen Moment Zeit«, sagte Dr. Perry. »Ich bin gerade auf dem Weg zu einer OP.«
    »Sie sind Chirurgin?«, fragte Delorme.
    »Anästhesistin. Sie können nicht ohne mich anfangen.«
    »Haben Sie Dr. Winter Cates als vermisst gemeldet?«
    »Ja. Ich hab das Foto, um das Sie baten. Ich hab’s unserem Sicherheitsdienst abgeluchst.«
    Auf dem Bild war eine hübsche Frau Anfang dreißig, mit lockigem schwarzem Haar und einem schiefen Grinsen, das ihr einen etwas süffisanten Ausdruck verlieh.
    »Sie ist nur schlecht getroffen, glauben Sie mir.«
    »Wann haben Sie das letzte Mal mit Dr. Cates gesprochen?«
    »Gestern Abend, etwa um halb zwölf. Ich hab sie angerufen, um ihr zu sagen, dass gleich ›Der Vollstrecker‹ im Fernsehen kommen würde. Sie ist ein ausgesprochener Mel-Gibson-Fan – wir beide, genauer gesagt. Aber sie hatte sich ein Video ausgeliehen, das sie sich ansehen wollte. Da klang sie auf jeden Fall noch völlig normal. Vollkommen unbesorgt.«
    »Halb zwölf ist ziemlich spät, um jemanden anzurufen. Selbst für eine gute Freundin.«
    »Nein, ganz und gar nicht. Winter ist ein Nachtlicht, so wie ich. Ich glaube, ich würde sie nach eins nicht mehr anrufen,aber bis dahin jederzeit. Wir telefonieren oft noch spätabends. Wir haben noch darüber gewitzelt, Ferien auf der Farm zu machen, das ist unser Code für ›Fernsehen und dabei eine Tüte Pepperidge runterfuttern‹. Winter war gerade dabei, eine Tüte aufzumachen, als ich anrief.«
    »Wann haben Sie angefangen, sich Sorgen zu machen?«
    »Heute Morgen. Wir hatten einen Eingriff, der auf acht Uhr angesetzt war, und sie ist nicht erschienen. Das wäre bei jedem ein Grund zur Besorgnis, aber ganz bestimmt bei jemandem, der so gewissenhaft ist wie Winter. Auf sie ist einfach hundert Prozent Verlass – wie auf kaum jemanden sonst.« Ein Schatten huschte über die lebhaften blauen Augen der Ärztin, als ob sie die zahllosen Leute Revue passieren ließe, auf die kein Verlass war. »Außerdem sind Winter und ich gute Freundinnen geworden, wissen Sie. Enge Freundinnen. Es passt einfach überhaupt nicht zu ihr, mir nicht Bescheid zu geben, was los ist. Ich hab ein paarmal bei ihr angerufen, aber sie hat nicht zurückgerufen. Sie hat, wie’s aussieht, nicht einmal den Anrufbeantworter abgehört. Passt genauso wenig zu ihr.«
    »Haben Sie sonst irgendetwas unternommen, um sie zu finden?«
    »Nach der Operation hab ich bei ihr in der Praxis angerufen, aber ihre Sprechstundenhilfe hatte auch nichts von ihr gehört. Und ich hab ihre Eltern angerufen. Sie wohnen in Sudbury, und Winter ist oft am Wochenende bei ihnen, aber die hatten auch nichts von ihr gehört. Ich wusste nicht, an wen ich mich sonst noch wenden sollte. Sie ist erst seit ungefähr einem halben Jahr in der Stadt. Sie kennt hier noch nicht viele. Ich wollte noch mal in ihrer Praxis anrufen, aber ich wollte denen auch nicht auf den Wecker fallen.«
    »Also, ihre Sekretärin hat uns kurz nach Ihnen angerufen.«
    »Oh, nein.« Dr. Perry hielt sich die Hand vor den Mund.
    »Im Moment besteht noch kein Grund zur Aufregung. Vorerst müssen wir noch nicht an ein Verbrechen denken.«
    »Also, ich will Ihnen sagen, was mir wirklich Angst macht«, sagte Dr. Perry. »Ich bin heute Mittag zu ihr rübergefahren, und ihr Wagen war noch da. Wenn sie also nicht nach Hause gefahren ist, wo ist sie dann

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