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Blutiges Schweigen

Blutiges Schweigen

Titel: Blutiges Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T Weaver
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zündete im Wohnzimmer ein Kaminfeuer an und setzte Kaffee auf. Während ich wartete, dass er fertig wurde, holte ich das Telefon aus dem Schlafzimmer. Ich hatte zwei Anrufe in Abwesenheit. Der erste war, wie erwartet, von Jill und am Vorabend um acht Uhr eingegangen. Außerdem hatte ich auch eine SMS von ihr erhalten. Hallo, David, treffen uns um 8:30 im Lamb in Acton. Kommst du? Jill . Der
zweite versäumte Anruf war von Ewan Tasker, und zwar um 7:55 Uhr morgens.
    Tasker war der Kontaktmann, den ich beiläufig gegenüber Jill erwähnt hatte. Inzwischen arbeitete er als Berater bei der Londoner Polizei, doch davor war er beim National Criminal Intelligence Service beschäftigt gewesen, bis dieser Teil von SOCA geworden war. Wie bei meinen anderen Informanten aus Journalistentagen basierte auch diese Beziehung darauf, dass eine Hand die andere wusch. Allerdings waren wir im Laufe der letzten zehn Jahre auch gute Freunde geworden. Das letzte Mal hatte ich ihn vor einem knappen Jahr an seinem sechzigsten Geburtstag gesehen. Er hatte in einem Golfclub in Surrey gefeiert. Wir hatten, beide ein Glas Whisky in der Hand, am Fenster gesessen und auf den Golfplatz hinausgeschaut. Er trauerte um seine Jugend, ich um meine Frau.
    Als ich ihn zurückrufen wollte, ging niemand ran. Deshalb wandte ich meine Aufmerksamkeit wieder Megan, dem Mann im Nachtclub und Milton Sykes zu.
    Ich fuhr den Computer im Arbeitszimmer hoch, loggte mich ins Internet ein und druckte alles aus, was ich über Sykes finden konnte. Ich wollte so viel wie möglich über sein Leben, seine Kindheit, seine Verbrechen und seine Verhaftung in Erfahrung bringen. Obwohl ich nicht sicher war, in welchem Zusammenhang das mit meinem Fall stand, durfte man die offensichtliche optische Ähnlichkeit von Sykes und dem Mann im Tiko’s nicht außer Acht lassen — und auch nicht die Möglichkeit, dass vielleicht ein Trittbrettfahrer die Hand im Spiel hatte. Ich notierte mir die wichtigsten Informationen und las den Rest sorgfältig durch, um nichts zu übersehen. Nachdem ich das Material durchgelesen hatte, blätterte ich zum Anfang zurück und begann noch einmal von vorn. Dann noch ein drittes Mal. Zwei Stunden später hatte ich sechzehn Seiten vollgeschrieben.

    Ich setzte mich wieder an den Computer und loggte mich bei Yahoo ein. Eine ungelesene Mail erwartete mich. Sie war von Terry Dooleys Privatadresse abgeschickt worden, kein Betreff, keine Nachricht, aber ein PDF-Anhang. Ich zog ihn auf den Desktop und öffnete ihn. Es war die Vermisstenakte, die Colm Healy für seine Tochter angelegt hatte, und noch einige hinten angeheftete Seiten, die sich mit der Suche nach ihr befassten.
    Ich arbeitete alles durch.
    Leanne Healy war drei Monate vor Megan verschwunden, also am dritten Januar. Sie war mit ihren zwanzig Jahren älter und auch längst keine so gute Schülerin gewesen. Mit sechzehn war sie mit mittelprächtigen Noten von der Schule abgegangen und hatte an einer Fachhochschule Kosmetik und holistische Therapie studiert, die Ausbildung jedoch nach einem halben Jahr abgebrochen. Danach hatte sie anderthalb Jahre lang in einem Supermarkt gearbeitet und war anschließend ans College zurückgekehrt, diesmal, um einen Abschluss in Betriebswirtschaft zu erwerben. Zwei Jahre später absolvierte sie den Lehrgang mit ordentlichen, wenn auch nicht gerade spektakulären Noten und hatte die Zeit zwischen dem Studienende und ihrem Verschwinden mit der vergeblichen Arbeitssuche verbracht. Am zweiten Januar hatte sie endlich Erfolg gehabt und eine Vollzeitstelle in einer Personalvermittlungsagentur ergattert. Vierundzwanzig Stunden später hatte sie sich in Luft aufgelöst.
    Äußerlich unterschied sie sich nicht allzu sehr von Megan. Obwohl keine von beiden übergewichtig war, konnte man sie keinesfalls als zierlich bezeichnen. Sie hatten zwar eine gute Figur, aber ihre Größe — eins dreiundsechzig beziehungsweise eins fünfundsechzig — hatte vermutlich verhindert, dass sich die Männer nach ihnen umdrehten. Megan war eindeutig die Attraktivere. Sie strahlte eine natürliche Herzlichkeit
aus, was man auch auf den Fotos erkannte und was sie noch hübscher machte. Leanne wirkte dagegen weniger zugänglich oder bemüht, einen guten Eindruck zu machen, was auch aus dem einzigen Foto in der Akte klar hervorging. Sie stand vor einem Haus. Strähniges blondes Haar fiel ihr ins Gesicht, und wegen der Lichtverhältnisse und der schlechten Bildqualität wirkte ihr Lächeln eher

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