Blutiges Schweigen
in Wellen über die Schultern. Sie war sehr dezent geschminkt — die geröteten Wangen schienen echt zu sein –, und ihre dunklen, keck funkelnden Augen musterten mich von Kopf bis Fuß.
»Wahnsinn«, sagte ich.
»Danke.« Sie klimperte spielerisch mit den Wimpern und griff nach einem langen schwarzen Mantel, der über der Sofalehne hing. »Du bist auch nicht ohne.«
Ich betrachtete mich. Ich hatte ein schwarzes Hemd, eine gut sitzende Jeans und eine lange schwarze und sehr teure Jacke von Armani an, die ich während eines einwöchigen Aufenthalts im Auftrag meiner Zeitung in einem schicken Einkaufszentrum in Dubai gekauft hatte. Sie sah am Bügel gut
und angezogen sogar noch besser aus, auch wenn die Folgen für mein Bankkonto verheerend gewesen waren. Seitdem hatte ich sie dreimal angehabt, solche Angst hatte ich, ich könnte ihr irreparable Schäden zufügen, wenn ich sie der frischen Luft aussetzte.
»Ich glaube, ich bin nicht gut genug angezogen«, meinte ich und betrachtete sie.
»Ach, Unsinn«, erwiderte sie und schlüpfte in ihren Mantel. »Du siehst toll aus.«
Ich reichte ihr eine braune Papiertüte.
Sie nahm sie und warf einen Blick hinein. Ein freudiges Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Kona-Kaffee?«, begeisterte sie sich. »Jetzt muss ich wohl ›Wahnsinn‹ sagen.«
»Es ist doch nur Kaffee.«
»Es ist Kona -Kaffee, David.«
»Jetzt musst du an mich denken, wenn du ihn trinkst.«
Sie lächelte. »Das dürfte mir nicht weiter schwerfallen.«
Das Restaurant befand sich fünf Kilometer entfernt am Rand des Gunnersbury Park. Auf dem Weg unterhielten wir uns darüber, wie unser heutiger Tag verlaufen war. Als ich an der Reihe war, ließ ich die Einzelheit aus, dass ich drei Stunden auf einem Polizeirevier verbracht hatte. Liz musterte mich einige Male, als wisse sie, dass ich ihr etwas verschwieg, doch sie bohrte nicht nach.
Im Restaurant empfing der Wirt — ihr Mandant — sie mit einer Umarmung und einem Kuss und brachte uns dann an einen Tisch im hinteren Teil des Lokals, wo man einen Blick auf den Park hatte. An den Wänden hingen Schwarz-Weiß-Aufnahmen, die das alte Italien darstellten: kopfsteingepflasterte Straßen, mit Holzläden versehene Fenster, die auf kleine Marktplätze hinausgingen, und Männer und Frauen mit steinernen Mienen in Straßencafés, die Haut vom Alter gegerbt und von der Mittelmeersonne gebräunt. Ich bestellte
eine Flasche Weißwein und Mineralwasser. Nachdem der Kellner fort war, drehte ich mich um und bemerkte, dass sie mich betrachtete.
»Alles in Ordnung?«
»Wunderbar«, antwortete sie. »Und bei dir?«
»Ja, bestens.«
Es herrschte eine leicht zögerliche Stimmung zwischen uns. Das hier war eine völlig neue Erfahrung. Sie spürte meine Befangenheit, und ich merkte ihr an, dass es ihr ähnlich erging. Seit Derryns Tod waren inzwischen knapp zwei Jahre vergangen. In dieser Zeit hatten wir hin und wieder zusammen gegessen, Kaffee getrunken oder einander am Ende eines anstrengenden Tages Gesellschaft geleistet. Nun begann etwas ganz anderes.
Ich brachte das Gespräch wieder in Gang, indem ich mich nach ihrer Tochter erkundigte.
Liz hatte ihren Exmann kurz nach dem Studium kennengelernt und mit zweiundzwanzig geheiratet. Ein Jahr später wurde Katie geboren. Sie hatte mir bereits ein wenig aus dieser Zeit erzählt. Ihr Mann hatte mit ihr um das Sorgerecht für ihre Tochter prozessiert, war aber nur zweiter Sieger geworden. »Er konnte ein wenig …« Sie blickte auf. Gewalttätig . Ich nickte als Zeichen, dass ich verstanden hatte. »Es war nie etwas Ernstes. Und er hat niemals die Hand gegen Katie erhoben … doch den Gedanken an eine gemeinsame Zukunft habe ich ziemlich schnell vergessen, als er auch noch zu trinken anfing.«
»Wann hast du beschlossen, zu gehen?«
»Als Katie zwei Jahre alt war. Ich habe sie übers Wochenende zu meinen Eltern gebracht, mich mit ihm zusammengesetzt und ihm mitgeteilt, dass ich ausziehen würde. Wie zu erwarten war, hat er nicht gerade Luftsprünge gemacht. Wahrscheinlich fühlt sich jeder Mann, sogar ein Trinker, gekränkt, wenn er zu hören kriegt, dass er seine Familie vernachlässigt.«
»Trifft sie sich noch mit ihm?«
»Er ist in den Norden gezogen. Sie hat ihn seit acht Jahren nicht gesehen.«
Kurz darauf wurde unser Essen gebracht. »Und was ist mit dir?«, fragte sie, während wir zugriffen. »Hast du je mit dem Gedanken gespielt, eine Familie zu gründen?«
»Wir haben viel darüber
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