Blutiges Schweigen
geredet, insbesondere, nachdem wir den Dreißigsten hinter uns hatten. Ich hatte immer geglaubt, dass ich durch meinen Beruf die Lust auf Kinder verlieren könnte — all die Tragödien und gebrochenen Herzen, mit denen ich zu tun hatte. Aber es war nicht so. Wir wollten immer welche. Doch dann erfuhr Derryn, dass sie Krebs hatte, und … es war nicht mehr so wichtig.« Ich lächelte ihr zu, um ihr zu zeigen, dass alles in Ordnung war. Sie schien zu verstehen, aber ich merkte, dass sich das Gespräch in eine Richtung entwickelt hatte, die wir beide nicht wollten. Ich versuchte, es in andere Bahnen zu lenken: »Meine Mum sagte immer, dass sie mich mehr liebte als alles auf der Welt — doch ich hätte ihr den Wunsch nach weiteren Kindern für den Rest ihres Lebens ausgetrieben.«
Liz schmunzelte. »Wirklich? Also warst du schon immer ungezogen?«
»Offenbar konnten sie während der Schwangerschaft meinen Herzschlag nicht hören.«
»Bist du etwa ein Vampir?«
Ich lachte. »Nein, kein Vampir. Aber eindeutig eine Nervensäge.«
»Wann sind deine Eltern gestorben?«
»Mum erst vor gut sechs Jahren. Als ich ein Junge war, hat mein Dad mit mir im Wald rings um unsere Farm Schießübungen gemacht. Er hat sich eingebildet, ich müsste Scharfschütze bei der Army werden. Mit meiner Entscheidung für den Journalismus habe ich seinen Traum zerstört. Doch ich
habe ihm versprochen, sooft ich konnte, am Sonntagmorgen mit ihm zum Schießen zu gehen. Als wir eines Tages zum Haus zurückkamen, lag Mum auf der Bank vor dem Haus. Sie hatte einen Schlaganfall erlitten.«
»Das tut mir leid.«
Ich zuckte die Schultern. »Es ist komisch. Ich habe mir wirklich nur bewusst gemacht, dass meine Eltern älter wurden, wenn sie darüber sprachen. Sonst ist es mir nie aufgefallen.«
»Sicher vermisst du sie.«
»Ja.«
»Kommt man je darüber hinweg?«
»Willst du eine ehrliche Antwort?«
Sie nickte.
»Wenn man jemanden liebt, vielleicht nie.«
Liz plauderte mit dem Wirt, während ich das Auto holen ging. Der Regen hatte nachgelassen, aber die Luft war noch immer kühl. Der BMW parkte in der Nähe eines Friedhofs mit Blick auf die Schnellstraße. Die vorbeirasenden Autos sorgten für einen ständigen orangefarbenen Schimmer.
»David.«
Den Schlüssel bereits im Schloss, drehte ich mich um. Auf der anderen Straßenseite traten Jill und Aron gerade aus einem Pub und kamen auf mich zu.
»Wahnsinn«, sagte Jill lächelnd. »So was nenn ich Zufall.«
Ich schüttelte Aron die Hand. »Wie geht es euch beiden?«
»Gut«, erwiderte Aron.
Jill hielt ihr Mobiltelefon hoch. »Ich habe vorhin versucht, dich anzurufen, aber du bist nicht rangegangen. Da habe ich mir gedacht, dass du wohl arbeiten musst.«
Ich kramte in meiner Tasche nach dem Mobiltelefon. Es
war nicht da. Mir fiel ein, dass ich es zu Hause auf dem Bett liegen gelassen hatte.
»Der Grund ist, dass ich es genialerweise vergessen habe.«
Aron schmunzelte. »Ü-vierzig. Das passiert uns allen.«
Jill lachte. »Schon gut, kein Problem. Ich wollte nur fragen, ob du auf einen Drink mitkommen möchtest. Erinnerst du dich?«
»Oh, natürlich.«
Ich erinnerte mich und hatte es nicht absichtlich verdrängt. Aber ich hatte lieber mit Liz zum Abendessen gehen wollen. Selbst nach den wenigen Gesprächen, die ich mit den beiden geführt hatte, war mir klar, dass sich ihre Freundschaft auf eine Art und Weise entwickelte, die ihnen gefiel. Da wollte ich nicht stören.
»Tut mir echt leid«, log ich. »Das wäre toll gewesen.«
»Dann vielleicht beim nächsten Mal«, antwortete Jill.
Ich warf einen Blick auf Aron. Er lächelte und wirkte, als spiele es keine Rolle für ihn, ob ich ja oder nein sagte. Falls das nur Theater war, damit ich mich nicht unbehaglich fühlte, war er ein begnadeter Schauspieler.
»Beim nächsten Mal«, meinte ich.
»Ich möchte mich noch bei dir bedanken, David«, sagte Aron.
»Wofür?«
»Weil du dich kürzlich in der Nacht um Jill gekümmert hast.« Er sah sie an. Sie lächelte ihm zu. »Ich war wegen eines Geschäftstermins in Manchester und hatte den ganzen Abend das Telefon abgeschaltet.«
»Das war doch keine große Sache«, protestierte sie.
»Doch«, entgegnete er und wandte sich wieder an mich. »Jedenfalls möchte ich mich bei dir für deine Hilfe bedanken.«
Ich hob die Hand. »Keine Ursache.«
»Jedenfalls war es sehr nett von dir.«
Ich nickte ihm zu. »Kann ich euch irgendwo hinfahren?«
»Ach, mach dir keine Mühe«, sagte
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