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Blutinsel

Blutinsel

Titel: Blutinsel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulrich Hefner
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beobachtete. Vierzehn Tage hatte er in New Heaven zugebracht. Vor einer Stunde war er von Falmouth aufgebrochen, wo er sein Boot festgemacht hatte. Kelvin Bould drehte am Einstellrad des Fernglases, bis er die Umrisse des dahintreibenden Bootes klar erkennen konnte. Das Boot schaukelte wild im unruhigen Wasser, ein Passagier war nicht zu erkennen. Er setzte sich hinter das Steuer seiner Norstar und beschleunigte. Mit knapp zehn Knoten näherte er sich dem treibenden Boot. Schon von Weitem war zu erkennen, dass es sich um William Evans’ Carolina Skiff handelte. Doch von Evans war weit und breit nichts zu sehen. Kelvin schaute sich um, er war nur wenige Meter vom Goose Rock entfernt, wo auf einer Leuchtboje ein rotes und ein grünes Licht leuchteten, um die Einfahrt zum Hafen von Hell’s Kitchen zu markieren und vor den Riffen zu warnen, die sich in unmittelbarer Nähe befanden und scharf genug waren, um den Rumpf eines Bootes aufreißen zu können. Als er die Carolina erreichte, gab er Gegenschub, bis seine Norstar so weit verlangsamte, dass sie nur noch gemächlich vorwärts trieb. Den Motor schaltete er ab.
    » Willy! «, rief er über das Wasser, doch Evans antwortete nicht. Als er nahe genug heran war, sah er, dass sich niemand im Boot befand. Doch noch etwas machte ihn stutzig. Auf dem Schiffsboden hatte sich eine rote Flüssigkeit angesammelt. Wasser hatte sich mit dem Blut vermischt. Erschrocken zuckte Kelvin zusammen.
    » Willy, hörst du mich? « , rief er noch einmal. Hatte Evans sich verletzt, war er auf ein Riff gelaufen und über Bord gegangen? Der Rumpf der Carolina schien unversehrt. Mit einer langen Stange, die sich an Bord seines Motorbootes befand, bekam er ein Seil des anderen Motorbootes zu fassen. Er konnte es nicht einfach in die Southern Shoals treiben lassen. Er nahm es ins Schlepptau und ergriff erneut das Fernglas. Bedächtig suchte er die Wasseroberfläche ab. Falls ein Körper im Wasser treiben würde, so wollte er ihn nicht übersehen. Als er mit seinem Fernglas den Goose Rock absuchte, erkannte er etwas, das unmittelbar vor dem knapp zweihundert Meter entfernten Felsen im Wasser trieb. Er startete seinen Motor und fuhr mit halber Kraft zum Felsen. Die Carolina folgte brav in seinem Fahrwasser. In ausreichender Entfernung stoppte er. Das seltsame Etwas am Felsen war ein menschlicher Körper. Kelvin Bould schluckte, als er näher heran war. Der Oberkörper trieb auf dem Wasser, graue Haare schaukelten auf der Oberfläche hin und her.
    » Mein Gott, Willy « , stammelte Kelvin.
    Dann entdeckte er die straff gespannte Kette, die vom Gerüst des kleinen Leuchtfeuers ins Wasser führte und deren Ende um den Hals des treibenden Körpers geschlungen war. Er beugte sich über die Reling und nahm seine Stange zu Hilfe. Zunächst musste es ihm gelingen, den regungslos treibenden Körper umzudrehen. Der erste Versuch scheiterte, und erst beim dritten Mal bekam die Stange, an deren Ende sich ein Bootshaken befand, den dahintreibenden Körper zu fassen. Kelvin brauchte all seine Kraft, um ihn umzudrehen. Als der Kopf aus dem Wasser auftauchte und Kelvin in das Gesicht blickte, erschrak er. Der Mann, der hier im Wasser trieb und mit offenen Augen in den Himmel blickte, war tatsächlich der Fischer William Evans. Die Kette, die um seinen Hals lag, hielt ihn knapp oberhalb der Wasserlinie gefangen, doch Willy war ohne Zweifel tot, und dort, wo seine Nase sitzen sollte, gähnte ein dunkles Loch.
    Kelvin Bould rutschte die Stange aus der Hand. » Nein! « , brüllte er, als er vor Schrecken rücklings in sein Boot stürzte. Er raffte sich wieder auf, griff nach dem Funkgerät und schaltete auf den Notrufkanal.
    » Mayday, Mayday « , schrie er in das kleine Handmikrofon.
    » Hier Boothbay Harbor Coast Guard Station « , tönte es aus dem Lautsprecher. » Identifizieren Sie sich, und geben Sie Ihre Position durch. «
    Kelvin unterdrückte seinen Würgereflex. » Schnell, hier ist eine Leiche im Wasser, bei Goose Rock vor Hell’s Kitchen Island. 43°4 5 ´29.5 0 ´ ´Nord, 69°5 6 ´36.47 ´ ´West, kommen Sie schnell, ich glaube, der Mann wurde ermordet. «
    Noch bevor der Funker die Position bestätigt hatte, atmete Kelvin Bould tief durch. Dieses Bild würde er wohl nie wieder vergessen.

11
    U.S.-Marshall Service, District Headquarter, Boston,
    16 . März 2007 , 11 . 55 Uhr (Freitag)
    Es dauerte dreieinhalb Stunden, bis das Suchprogramm der EDV -Anlage des U.S.-Marshall Service die Ergebnisse

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