Blutinsel
ausspuckte. Donovan hatte sich in seinem Büro aufs Ohr gelegt, nachdem er Fleischman darüber informiert hatte, was in der vergangenen Nacht geschehen war und dass Doktor Caven einen wertvollen Hinweis zur Fahndung nach Lukovic und seinem Komplizen geliefert hatte. Noah Fleischman war von Anfang an der Überzeugung gewesen, dass Lukovic und Simmrock versuchen würden, sich nach Philadelphia durchzuschlagen, um bei den Moronis im Süden der Stadt unterzukriechen, wo die Cosa Nostra noch immer unangefochten die Stadtteile kontrollierte. In diesen Vierteln verfügte die Mafiaorganisation über vielfältige Möglichkeiten, um von der Polizei Gesuchte für eine Weile zu verbergen. Außerdem wäre es ein Leichtes, Vertraute und verdiente Mitarbeiter außer Landes zu schaffen, wenn nur genug Zeit war, um die Vorbereitungen zu treffen. Dennoch gab es ein unkalkulierbares Risiko. V-Männer der Polizei, des FBI , der ATF und der Drogenpolizei waren stets zur Stelle, wenn sie die Möglichkeit witterten, ein paar Dollar für eine Verhaftung zu kassieren. Und der U.S.-Marshall Service genoss einen guten Ruf im Land und galt bei den anderen Sicherheitsbehörden nicht als Konkurrenz, weshalb die Zusammenarbeit meist hervorragend funktionierte. Fleischman hatte die Kollegen in Philadelphia angewiesen, alle möglichen Quellen anzuzapfen und das Gebiet entsprechend zu überwachen. Eine Verfolgungsjagd war eine Möglichkeit, ein Wild zur Strecke zu bringen, doch eine viel bessere Option war es, sich am Bau seines Beutetieres auf die Lauer zu legen, denn irgendwann würde es genau dorthin zurückkehren.
Doch Fleischman hatte sich offenbar geirrt, denn nicht die Moronis waren das Ziel der Flucht, sondern ein gewisser Clay. Und wenn man in Erfahrung bringen konnte, um wen es sich bei diesem Mann handelte, so hatten sie gute Aussichten, Lukovic und Simmrock endlich zu schnappen.
Donovan wischte sich den Schlaf aus dem Gesicht, nachdem Macphie in sein Büro gekommen war und ihn an der Schulter gerüttelt hatte, bis er endlich wach wurde.
» Clay erwartet dich « , sagte Macphie.
Donovan kratzte sich verschlafen am Kopf. » Was ist? «
» Der Computer hat uns sieben Männer namens Clay ausgespuckt, die mit Lukovic in Verbindung stehen. «
» Sieben « , wiederholte Donovan enttäuscht. » Das ist eine ganze Menge. «
Macphie lächelte und zog ihren Notizblock hervor. » Während du geschlafen hast, habe ich alle sieben überprüft. Das Programm sucht nur nach dem Schlüsselwort und unterscheidet nicht nach Beziehung, Herkunft oder Stand. «
» Ich verstehe nicht … « Donovan stand am Waschbecken und versuchte, seine widerborstigen Haare zu einer vernünftigen Frisur zu formen.
» Zwei dieser Clays sind Polizisten, die einmal mit ihm zu tun hatten, ein weiterer ist Richter am Philadelphia Courtyard und hat ihm als Jugendlichen zu zehn Monaten Haft im Juveline Justice Center verholfen. Ich denke, die drei dürften ausscheiden. Ein weiterer Clay war Zeuge gegen ihn im Strafverfahren wegen Raubes im Jahr 1989, und dann gab es noch einen Komplizen, der vor zwei Jahren in Rykers verstorben ist. «
» Also bleiben zwei « , resümierte Donovan.
» Clay Baker war ein Komplize in einem Fall wegen versuchter Nötigung. Die Anklage wurde aber niedergeschlagen, weil die Beweise nicht ausreichten. «
» Wann war das? «
» 1988 « , antwortete Macphie.
» Und der Letzte? «
» Clay Stearn « , sagte Macphie. » Teilte mit ihm sechs Jahre lang die Zelle in Cedar Junction und wurde vor einem Jahr entlassen. «
» Das ist der Kerl « , stieß Donovan aus und griff nach Macphies Notizblock.
» Dachte ich mir auch « , bestätigte Macphie. » Und stell dir vor, Stearn ist auf Bewährung entlassen worden und hat einen Wohnsitz in Philadelphia angemeldet. «
» Bingo « , rief Donovan. » Wo ist Noah? «
» Er telefoniert gerade mit Deputy Commissioner Blackburn vom Philadelphia Police Department. «
» Er weiß Bescheid? « , fragte Donovan zerknirscht, schließlich hatte er die Ermittlung angeleiert und wollte auch der Erste sein, der vom Erfolg seiner Nachforschungen erfuhr.
» Er war einfach schneller als du « , entgegnete Macphie.
Goose Rock, vor Hell’s Cove, Maine,
16 . März 2007 , 13 . 05 Uhr (Freitag)
Cathy schaute aus dem Fenster von Hell’s End auf die Hauptstraße. Die kleinen, weiß getünchten Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite mit ihren bunten Fensterläden reckten ihre Dächer in den Mittagshimmel.
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