Blutkirsche
oder ein Café, wo man eine Kleinigkeit essen kann?“, fragte Marco, der immer missmutiger aussah.
Für einen Augenblick war Anne versucht, Marco mit sich nach Hause zu nehmen. Zu kochen oder etwas zuzubereiten hatte sie keine Lust, aber was sie eher daran hinderte, war ihre Überlegung, dass es für das Betriebsklima besser war, keinen zu privaten Kontakt zu pflegen. Klar, erzählten sie sich auch persönliche Dinge, das blieb nicht aus. Anne gratulierte zu den Geburtstagen und überraschte bei besonderen Anlässen, wie zur Geburt des Babys, mit einem kleinen Geschenk. Obwohl sie Marco duzte, redete er Anne immer noch mit ‚Sie‘ an. „Macht sich besser so, Chefin!“, hatte er ihr erklärt.
„Nein, die Bäcker haben zu, ein Café mit kleiner Karte ...? Die es hier gibt, ähneln eher Wartehallen“, erklärte Anne. „Hast du Lust auf Vietnamesisch? In der Nähe des Roserplatzes ist ein Restaurant, das ist durchgehend offen. Oder doch eher auf Döner?“
„Nein, keinen Bock auf Vietnamesisch, ich vertrag’ das Glutamat nicht. Und bloß keinen Döner, wer weiß, was die da alles reintun“, Marco schüttelte sich. „Also doch nur Stullen!“
„Ist auch besser, wir haben jede Menge zu tun“, entgegnete Anne. Sie sah es schon jetzt kommen, um sich gemütlich zum Essen hinzusetzen, würde während der Ermittlung wenig Zeit sein.
„Ruf doch mal die Rechtsmedizin an, wann die Autopsie stattfindet. Ich glaube, wir suchen jetzt mal diesen Kassierer im Baumarkt auf. Wir brauchen die Unterlagen des Vereins.“
Der Roserplatz vor dem Baumarkt war fast bis auf den letzten Platz belegt. Im Gehen zeigte Anne auf das Areal.
„Hier stand mal die Lederfabrik Roser, als sie pleite ging, ist sie abgerissen worden. Zwei Backsteinbauten sind aber erhalten geblieben. In einem ist eine Brauerei – gutes Bier übrigens, man sitzt entweder draußen im Biergarten oder drinnen zwischen den kupfernen Braukesseln. Stimmt ja, da hätten wir hingehen können! Natürlich ohne Bier zu trinken! Nur zum Essen!“
„Nee, lassen Sie mal Chefin“, unterbrach Marco den Vorschlag seiner Chefin.
„Dort drüben, der zweite Backsteinbau, ist das Gebäude der ehemaligen Verwaltung. Da ist jetzt das Bürgerhaus und eine Musikschule drin“, erklärte Anne ihrem Assistenten. Im Hintergrund hörte sie das |51| Plätschern des Brunnens, in dem sich eine übergroße Schraube drehte. Der Feuerbach, hier wieder ein kurzes Stück oberirdisch verlaufend, speiste den Brunnen mit Wasser.
Sie gingen ins Innere des Baumarktes.
„Wo können wir Herrn Theisen finden?“, fragte Marco eine üppige Blondine, die hinter dem Tresen der Reklamationsstelle stand.
„Herrn Theisen? Ich weiß nicht, ob der da ist.“
Leise flüsterte Marco Anne zu: „Wahrscheinlich singt er gerade für die Fernseh-Werbung.“
Beide mussten grinsen.
„Dann rufen Sie ihn aus, sofort“, befahl Anne der Angestellten.
Eingeschüchtert durch den strengen Gesichtsausdruck von Anne trompetete die Blondine: „1501, Herr Theisen, bitte zur Reklamation“ ins Mikrofon.
„1501 ist bestimmt der Code für nervige Kunden“, bemerkte Marco süffisant.
Anne amüsierte sich: „Nein für Gefahr, Bombenalarm oder was Ähnliches.“
Ein etwa vierzigjähriger, braun gebrannter Mann in einem orangenfarbenen Hemd eilte auf die Polizisten zu.
„Was kann ich für Sie tun? Gibt es eine Reklamation?“, fragte der Verkäufer.
„Kripo Stuttgart. Sind Sie Herr Theisen?“ Anne hielt dem Mann ihren Ausweis vor die Nase. Die Blondine hinter dem Tresen konnte ihre Neugier kaum verbergen und beugte sich weit vor.
„Jaaa, der bin ich, was ist denn los?“, antwortete Ullrich Theisen.
„Können wir das woanders besprechen, gibt es hier ein Büro, einen Raum, wo wir ungestört sind?“
„Sicher, folgen Sie mir“, sagte Theisen, während er Anne und Marco vorbei an vollen Einkaufswagen und Heimwerkern in ein Zimmer neben dem Kundenservice lotste.
„Herr Theisen, stimmt es, dass Sie der Kassierer des Kleingartenvereins Kirschblüte sind?“
Theisen erbleichte unter seiner Sonnenbräune und schaute die beiden Polizisten für einen Moment unsicher an.
„Ja, bin ich, warum?“
„Nun, wir brauchen den Schlüssel des Vereinszimmers, uns wurde gesagt, Sie hätten ihn.“
|52| „Sicher, den habe ich, aber sagen Sie mir doch mal zuerst, weshalb der für Sie so wichtig ist. Da kann ja jeder kommen und den Schlüssel wollen“, entgegnete trotzig Theisen.
„Herr Theisen, wir
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