Blutkirsche
jedenfalls ist er kein Akteur in den Filmen. Natürlich ist der Besitz und Nutzung solcher Filme strafbar, und ich verstehe deine Reaktion.
Aber immerhin wissen wir jetzt, was Kohl außer seinem Schrebergarten, dem Beruf und den Geschäften noch umgetrieben hat. Das Motiv liegt in den vier Bereichen, dort müssen wir nach den Mördern fischen. Wir gehen jedenfalls von zwei Tätern aus, die irgendetwas verbindet und die so wütend waren, dass sie gemeinsam den Kohl erschlugen.“
Anne drehte den Bildschirm wieder um. Sie hatte genug gesehen.
„Schluss jetzt! Wir brennen eine CD für unsere Akten und geben die Porno-Dateien weiter an die Kollegen für Sexualdelikte. Sollen die alles auswerten und ermitteln! Sie sollen vor allen Dingen nachschauen, ob Kohl selbst auf den Videos ist. Und jetzt fahr das widerliche Zeug runter!“
Energisch klickte Anne daraufhin ihren Polizeicomputer an. „Anschließend prüf mal nach, ob du irgendwelche geschäftlichen Transaktionen von Kohl außer mit Günther Wöhrhaus entdecken kannst.“
Erleichtert, diesen Schmutz nicht weiter ansehen zu müssen, forschte Marco weiter in den Ordnern ,Buchhaltung‘ und ,Kirschblüte‘ und ,Geschäftliches‘. Ebenso nahm er Einblick in das Onlinebanking-Konto von Harry Kohl. Zahlen hatten etwas Beruhigendes, er konnte es im Augenblick gut gebrauchen.
Marco war nicht naiv, natürlich wusste er, dass es Kinderpornografie gab. Die Kollegen von der Sitte mussten sich jeden Tag damit beschäftigen, aber er war noch nie damit konfrontiert gewesen. Hinter mancher gutbürgerlichen Fassade verbargen sich Abgründe, Geheimnisse, die vielleicht besser unentdeckt blieben. Und wenn doch, dann waren das meistens die Fälle, in denen sie ermitteln mussten. Er dachte an sein Baby. Wenn ihm so etwas widerfahren würde, wüsste er als Vater nicht, ob er nicht zur Selbstjustiz greifen und den Triebtäter hinrichten würde. Marco kannte die Schwächen des Rechtssystems, immer wieder gab es Pädophile, die ein positives psychiatrisches Gutachten bekamen, freigelassen wurden und sich gleich wieder an Kindern vergriffen.
Es nützte nichts, obwohl Anne entsetzt über Harry Kohl war, durften ihre persönlichen Ansichten nicht die Ermittlung beeinträchtigen. Sie schaute sich die Biografien der einzelnen Schrebergärtner an. Gab es |120| Brüche, Ungereimtheiten, Auffälligkeiten oder Einträge ins Strafregister? Ein Lebenslauf ließ sie stutzig werden. Auch ein zweiter interessierte sie.
„Hast du jetzt Zeit?“, erkundigte sie sich bei Marco. „Wir sollten uns mal mit dem Tressel unterhalten.“
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„Dann auf ein Zweites! Beeilen wir uns! Sieht schon wieder nach Gewitter aus.“ Anne blickte zum Himmel, als sie aus dem Auto stiegen. Obwohl es jeden Augenblick über dem Schrebergartengebiet losgehen konnte, wurde emsig gearbeitet. Mehrere Rasenmäher brummten, jemand ließ eine benzinbetriebene Heckenschere kreischen, ein Häcksler ratterte. Vereinzelt saßen Gäste im Biergarten unter den Kastanienbäumen und blickten stumm gelangweilt in die Runde.
Die Wirtshaustür stand offen, und ein riesiger schwarzer Hund lief drohend kläffend auf die beiden Polizisten zu. „Platz!“, schrie Marco, trat einen Schritt zurück und scheuchte ihn aufgeregt weg.
„Angst vor Hunden?“, fragte Anne.
„Ja, mich hat mal als Kind ein Schäferhund angefallen!“
Marco schaute über die Außenzäune der Parzellen, als sie den Weg zu Tressels Garten nahmen. „Hier ist die Welt in Ordnung, so als ob nie etwas passiert wäre.“
„Ja, ich wundere mich auch manchmal, wie schnelllebig Tragödien im Gedächtnis der Menschen sein können. Heute noch Sensation in den Boulevardblättern, morgen schon vergessen!“
Lorenz Tressel befand sich nicht in seinem Stückle, obwohl das Tor offen stand und durch den mittlerweile starken Wind quietschend auf und zu pendelte.
„Halten Sie das auch für eine Einladung?“, fragte Marco, während er das Gartentor für Anne festhielt.
„Ja, lass uns doch mal nachschauen.“
Als Erstes fiel Anne ein Gerät auf, das wie ein Motor aussah, versehen mit einem spitzen Wimpel, der sich wie ein Propeller drehte. Die Maschine war an einer langen Stange befestigt, die im Boden eines kleinen Hügels steckte. Zwei Solarzellen glänzten auf dem Dach der Hütte. Eine Leitung verband die Zellen mit dem Apparat.
„Hm, sieht wie eine Wetterstation aus.“
„Interessantes Hobby“, stellte Marco fest und begutachtete nun
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