Blutkirsche
Schlafzimmer? Anne versuchte durch die angelehnte Tür zu spähen, aber Mike Fink schloss sie, nachdem er wieder den Wohnraum betrat.
Die Einladung, sich zu setzen, schlugen die beiden Kommissare aus.
Im Stehen begann Anne die Befragung. „Wie Sie sicher wissen, wurde der Vereinsvorsitzende Harry Kohl ermordet.
Wir haben einen Zeugen, der Sie an dem fraglichen Vormittag gesehen hat, wie Sie gegen zehn Uhr die Schrebergartenanlage mit dem Auto verlassen haben.“
Mike zögerte. Von der Tat hatte die Stuttgarter Zeitung und die Nord-Rundschau groß berichtet. Ging es in erster Linie um den Mord und nicht um den Einbruch? Wenn er jetzt leugnete, an dem Morgen dort gewesen zu sein, machte er sich verdächtig, zumal Albert Rösler bestimmt die Zeugenaussage gemacht hatte.
„Ja, ich kam um acht Uhr an und bin um circa zehn Uhr zum Einkaufen in den Bioladen nach Feuerbach gefahren.“
„War bei ihrer Ankunft sonst noch jemand um diese Uhrzeit in der Kleingartenanlage? Haben Sie noch andere Autos gesehen?“, hakte Anne nach.
„Nein, ich habe nur den Insignia von Harry bemerkt, kein anderes Auto. Aber das sagt überhaupt nichts aus, ich weiß, dass einige Gartenfreunde auch zu Fuß kommen.“
Die Möglichkeit besteht, überlegte Anne. Bisher hatten sie bei ihren Ermittlungen immer nur an einen Täter gedacht, der mit dem Auto gekommen sein musste.
„Als Sie in Ihrer Parzelle ankamen, war da Harry Kohl in seinem Garten?“, wollte Marco wissen und bemerkte, dass der Mann immer mehr den Kopf nach rechts drehte, sie nicht mehr direkt anschaute und angestrengt wirkte.
|114| „Nein, denn ich habe ihn nicht gesehen, auch nicht gehört. Mein rechtes Ohr ist taub, mein linkes funktioniert einigermaßen.“
„Stimmt es, dass Sie mit Herrn Kohl im Streit lagen?“, erkundigte Anne sich, die Erklärung für die Kopfbewegung notierend.
„Streit hatten wir einmal, aber der ist beigelegt“, antwortete Mike und überlegte, ob er nun als Verdächtiger infrage kam.
„Um was ging es denn da?“
„Um einige Vereinsvorschriften, wie die mit meiner Laube, die nicht der Kleingartenordnung entsprach, weil sie ein Pagodendach trägt“, erklärte Mike lapidar.
Das ungewöhnliche Dach im benachbarten Grundstück hatte Anne während der Tatortuntersuchung bemerkt. Sie überlegte, ob sie vielleicht doch einmal die Gartenordnung lesen und die einzelnen Parzellen auf Verstöße hin im Plan markieren sollten. Sie verwarf dann aber den Gedanken, zuerst mussten sie den offensichtlichen Spuren nachgehen.
Und die mit Mike Fink war offensichtlich. Er besaß ein Motiv, denn so harmlos war diese Auseinandersetzung mit dem Opfer nicht gewesen, wie sie inzwischen aus den Papieren des Vorsitzenden erfahren hatte. Und die Gelegenheit dazu besaß Mike Fink während seines Aufenthaltes am Samstagmorgen.
„Wir würden uns gerne einmal Ihr Gütle ansehen. Könnten Sie mit uns fahren?“, fragte Anne.
Mike fragte beunruhigt. „Sofort?“ Was bedeutete das? Nur Routine, oder wurde er tatsächlich verdächtigt?
„Ja, sofort!“, befahl Marco.
„Okay, ich muss mir aber zuerst Schuhe anziehen.“
Anne schaute auf die nackten Füße von Mike Fink. Schöne große Füße! Gepflegt! Könnte sich mancher Mann zum Vorbild nehmen. Natürlich nicht Jochen! Für eine Sekunde dachte sie an den Staatsanwalt. Bei der Besprechung der Soko ‚Schrebergarten‘ wollte Jochen heute laut Mail teilnehmen.
Hoffentlich bekam sie mehr Beamten für die Soko, die im Augenblick nur aus zwei Personen bestand – die Abteilungssekretärin nicht mitgerechnet. Laut ärztlichem Befund musste Frau Grimm, die eigentlich als Verstärkung angetreten war, zur Beobachtung im Krankenhaus bleiben.
„Chefin, was soll das?“ Marco sah Anne kurz an, als sie ins Auto stiegen, dann beobachtete er Fink, der seinen Saab aus der Garage holte, einstieg und losfuhr. „Warum holen wir uns nicht erst einen richterlichen Beschluss und schauen uns dann im Garten um?“
|115| „Wenn wir uns erst den holen, vergeht wertvolle Zeit. Wir müssen den Richter auftreiben und bis wir wieder hier sind, sind vielleicht die Spuren verwischt. Falls überhaupt noch welche da sind!“, erklärte Anne ihrem Assistenten.
Direkt hinter der Bushaltestelle an der Kräherwaldstraße führte der Holbeinweg, ein Waldweg ‚Nur für Anlieger‘, bis zur Kleingartenanlage hinunter und ging in die Grünewaldstraße über.
„Das meinte Rösler mit dem Wohnort ‚da oben‘“, stellte Marco fest. „Ist
Weitere Kostenlose Bücher