Blutkirsche
für Fink ja ziemlich geschickt, sein Stückle liegt nah der Wohnung.“
In der Kleingartenanlage angekommen – Mike Fink fuhr voraus und die zwei Beamten folgten ihm – streifte Anne Gummistiefel über. Noch einmal würde sie keine normalen Schuhe in einem Gartengebiet anziehen. Die Ballerinas vom Samstag waren völlig ungeeignet gewesen. Diesmal konnte sie auf dem Platz vor dem Wirtshaus parken, das Festzelt lag zusammengepackt am Rand.
Als Erstes fiel Anne die Stille auf. Für sie völlig ungewöhnlich, um die gleiche Uhrzeit hörte sie von ihrem Haus aus das immerwährende Rauschen der Autos, die in den Tunnel der B 295 einfuhren. In der Maschinenfabrik um die Ecke wurde laut gehämmert, gebohrt oder Metallteile mit Schmackes abgeladen. In der Schreinerei kreischte eine Säge. An solchen Tagen bedauerte sie es, nicht mehr in der ruhigen Anliegerstraße in Degerloch zu wohnen. Aber ihre und Günthers gemeinsame Villa war verkauft, wenn überhaupt, trauerte sie dem komfortablen Wohnen, nicht aber der Ehe nach.
Der Kies knirschte unter Annes Schritten, das Pagodendach schimmerte in der Morgensonne wie ein türkis-grüner Edelstein. Der Jasminduft überlagerte alle anderen Gerüche. Gerne hätte Anne in diesem Garten eine Ruhepause eingelegt, grünen Tee im Pavillon getrunken, sich ausgeruht, aber Dienst blieb Dienst. Schade.
„Zeigen Sie uns doch mal Ihre Geräte“, forderte sie den ungewöhnlichen Schrebergärtner auf.
„Bitte hier“, Mike entfernte das Schloss von dem Anbau. Bis jetzt konnte er in der Aktion noch keinen Sinn erkennen.
„Was haben wir denn da?“ Marco zog eine Hacke hervor. „Gibt es auch eine Axt oder ein Beil?“
„Das ist eine Hacke, ein Beil besitze ich nicht!“, entgegnete Mike.
|116| „Ist das Ihre?“, fragte Anne und nahm aus ihrem City Bag eine große Plastiktüte heraus, in die sie das Gartengerät hineinlegte, dann die Tüte fest verschnürte.
„Ich glaube schon, aber warten Sie mal.“ Mike untersuchte genauer sein Gerätehaus. Er zog eine identische Hacke aus einer Halterung. „Merkwürdig! Hier ist noch eine! Ich besitze aber nur eine Einzige. Die Sie eingetütet haben, muss die sein, die ich am Samstag gesäubert habe.
„Weshalb gesäubert?“
„Sie war völlig verschmutzt, und als ordentlicher Schwabe räumt man sein Sach’ nicht dreckig weg“, gab Mike patzig Antwort. „Ich konnte ja nicht wissen, dass das nicht meine Hacke ist. Außerdem habe ich nicht bemerkt, dass eine zweite im Schuppen hängt!“
„Und welche ist die Ihre?“, erkundigte sich Anne.
„Die sehen alle gleich aus, ich weiß nicht“, sagte Mike. Er sah verwundert zu, wie der männliche Kommissar alle Gerätschaften herausräumte und genau untersuchte.
„Aber sagen Sie mir doch jetzt, was das soll?“ Mittlerweile fing er an, sich Sorgen zu machen.
Er bekam keine Antwort, sondern die Polizistin inspizierte seine Hütte und ging langsam suchend durch den Garten. Sie nahm einen abgebrochenen Ast auf und stocherte mit ihm den kleinen Bachlauf ab, schaute hinter jeden Bambus, Busch und jeden Stein seiner Parzelle. Mit spitzen behandschuhten Fingern hob sie einen zerfledderten linken Turnschuh auf.
Anne erkannte ihn sofort. Einen identischen trug das Mordopfer am rechten Fuß!
„Gehört der Ihnen?“, fragte sie.
„Nein, der gehört mir nicht.“ Mike reagierte mittlerweile phlegmatisch. Falls dies sein Karma sein sollte, würde er es hinnehmen müssen.
Bis das Ergebnis der kriminaltechnischen Untersuchung der konfiszierten Beweismittel, dem Turnschuh und der Hacke vorlag, hatte Anne davon abgesehen, Mike Fink zu verhaften. Es konnte ja auch einen anderen Grund haben, dass der Schuh des Ermordeten in seiner Parzelle lag. Warum sah er so zerfleddert aus? Weshalb hätte Fink den Schuh mitnehmen und sich einem Verdacht aussetzen sollen? Allerdings gab es genügend Mörder, die ein Souvenir ihres Opfers bei sich behielten, um sich immer wieder an ihre Tat zu erinnern und sie wieder zu erleben. Aber |117| das gab es vorwiegend nur bei Sexualtätern, und dieser Mord gehörte nicht dazu.
Dass es zwei Hacken gab, von denen eine von Fink geputzt im Gerätehaus hing, konnte vielleicht ein Versehen sein. Sie hielt Fink, falls er Harry Kohls Mörder war, eigentlich für so intelligent, dass dieser das Tötungsinstrument längst weggeworfen oder entsorgt hätte.
Aber man sah in einen Menschen nicht hinein. Vielleicht hatte er schlichtweg vergessen, die Spuren zu beseitigen. Und
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