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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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zurück. Sie war in Stücke gerissen worden.
    Er konnte erkennen, dass es ihr Leichnam war, weil sie noch ihren Schild am Arm trug, aber ihr Kopf war verschwunden, ebenso wie der andere Arm und ein Bein, so dass das, was da lag, eigentlich gar nicht aussah, als ob es je ein Mensch gewesen war, sondern nur irgendwelche Klumpen, und der Schnee war überall bespritzt, fleckig, mit Blut und Haaren und Splittern von Holz und Metall, von anderen Freunden und Geliebten und Rivalen, die herumgeschleudert, zerfetzt und versengt worden waren.
    Tofric, der als bester Kürschner bekannt war, stolperte zwei steifbeinige Schritte und brach in die Knie. Ein Dutzend Wunden an seinem Körper färbten den Pelz, den er trug, dunkel, und unter seinem Auge war eine tropfende schwarze Linie. Er starrte ins Leere, sah nicht länger gequält aus, sondern eher traurig und verwirrt darüber, wie sich die Welt so plötzlich verändert hatte, alles ganz still, alles völlig schweigend, und Scarlaer fragte sich: Was für eine Zauberkunst ist das?
    Uto lag neben ihm. Er schob ihr die Hand unter den Kopf und hob ihn leicht an. Sie erschauerte, zuckte, ihre Zähne klapperten, und roter Schaum trat über ihre Lippen. Sie versuchte, ihm den heiligen Beutel zu geben, aber er war aufgerissen worden, und der heilige Staub von Aschrang rieselte nun auf den blutigen Schnee.
    »Uto? Uto?« Er konnte seine eigene Stimme nicht hören.
    Er sah, dass Freunde die Straße heruntergelaufen kamen, um ihnen zu helfen, Canto ganz vorn, ein tapferer Mann, wie man sich in einer schwierigen Lage keinen besseren an seiner Seite wünschen konnte. Er dachte daran, wie dumm er gewesen war. Was er für ein Glück hatte, solche Freunde zu haben. Dann, als sie an einem der Hügelgräber vorüberkamen, schoss Rauch aus dem Eingang, und Canto wurde weggeschleudert, weit über das Dach des daneben stehenden Schuppens. Andere taumelten zur Seite, wirbelten herum, drehten sich blinzelnd im Nebel oder wirkten, als ob sie sich gegen starken Wind stemmten, die Hände vors Gesicht geschlagen.
    Scarlaer sah, wie sich die Fensterläden öffneten, und bemerkte das Schimmern von Metall. Pfeile flogen geräuschlos auf die Straße, schlugen in die Holzwände ein, fielen harmlos in den Schnee, fanden stolpernde Ziele, die daraufhin auf die Knie fielen, vornüber kippten, sich festhielten, riefen, schrille Schreie ausstießen.
    Er rappelte sich auf, und die Ansiedlung kam ins Wanken. Der alte Mann stand noch immer im Türrahmen, deutete mit der Flasche in eine Richtung, sagte etwas. Scarlaer hob sein Schwert, aber es fühlte sich seltsam leicht an, und als er auf seine Hand sah, war die blutig und leer. Er sah sich nach der Waffe um und entdeckte, dass ein kurzer Pfeil in seinem Bein steckte. Es tat nicht weh, aber wie ein Kübel kalten Wassers überfiel ihn plötzlich der Gedanke, er könnte vielleicht scheitern. Und dann, er könnte vielleicht auch sterben. Und nun senkte sich die Angst auf ihn herab wie eine schwere Last.
    Er taumelte zur nächsten Wand, sah einen Pfeil vorübersausen und in den Schnee fallen. Er kämpfte sich weiter voran, mit bebender Brust, und erkletterte den Abhang. Dort wagte er einen hastigen Blick über die Schulter. Die Ansiedlung war von Rauch erfüllt wie die Versammlungen von Sehendem Dampf, und riesige Schatten bewegten sich darin. Einige seiner Leute rannten zum Wald, stolperten, fielen, verzweifelt. Dann kamen Gestalten aus dem wabernden Nebel wie große Teufel – Männer und Pferde verbanden sich zu einem schrecklichen Ganzen. Scarlaer hatte Geschichten von dieser obszönen Vereinigung gehört und über diesen Blödsinn gelacht, aber nun, da er es mit eigenen Augen sah, war er von Entsetzen erfüllt. Speere und Schwerter blitzten auf, Rüstungen schimmerten, überragten die Laufenden, fällten sie.
    Scarlaer mühte sich weiter, aber sein von dem Pfeil durchbohrtes Bein wollte nicht mehr, eine Blutspur zog sich hinter ihm den Hang hinauf, und ein Pferdemann folgte ihr bereits. Seine Hufe wühlten den Schnee auf, und er hielt eine Klinge in der Hand.
    Scarlaer hätte sich umwenden und sich trotzig zur Wehr setzen sollen, stolzer Jäger des Drachenvolkes, der er war. Wohin war nur sein Mut verschwunden? Einst hatte es den Anschein gehabt, als ob er endlos sei. Und nun war da nur noch das Bedürfnis wegzulaufen, das ihn so verzweifelt erfüllte wie das eines Ertrinkenden, wieder Luft zu schöpfen. Er hörte den Reiter hinter sich nicht, aber er fühlte den

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