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Blutklingen

Blutklingen

Titel: Blutklingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joe Abercrombie
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eigene Achse, und das Gelächter war um ihn herum.
    »Gott?«, murmelte Jubair, und er konnte das heilige Wort kaum aussprechen, weil er ein komisches Gefühl hatte, das sich in seinen Eingeweiden ausbreitete und seine Wirbelsäule hoch- und runterkroch, seine Kopfhaut kribbeln und seine Knie zittern ließ. Und das war umso schrecklicher, weil er sich nur ganz ungefähr an dieses Gefühl erinnerte. Eine kindliche Erinnerung, in der Dunkelheit verloren. Denn wie der Prophet schon gesagt hatte, der Mann, der an jedem Tag Angst erlebt, wird in ihrer Gesellschaft gelassen. Ein Mann, der keine Angst kennt – wie soll er diesem schrecklichen Fremden entgegentreten?
    »Gott …«, wimmerte Jubair, stolperte zurück zur Treppe, und plötzlich waren da Arme, die ihn umfingen.
    »Der ist weg«, ertönte ein Flüstern. »Aber ich bin hier.«
    »Verdammt!«, fauchte Lorsen erneut. Sein lang gehegter Traum, dem Offenen Rat den Rebellen Conthus zu präsentieren, in Ketten und voll Demut und über und über mit Tätowierungen bedeckt – Schriftzeichen, die gern hätten verkünden dürfen: Geben Sie Inquisitor Lorsen die Beförderung, die er schon seit so langer Zeit verdient – , hatte sich in Rauch aufgelöst. Oder in Blut. Dreizehn Jahre lang hatte er eine Strafkolonie in Angland geleitet, und nun das. All die langen Ritte, die vielen Opfer, die unwürdigen Erlebnisse. Trotz seiner Bemühungen hatte die ganze Expedition in einer Farce geendet, und er zweifelte nicht im Geringsten daran, auf wessen Schultern man unverdientermaßen die Schuld abladen würde. Wütend klatschte er sich aufs Bein. »Ich wollte ihn lebend!«
    »Das wäre ihm sicher auch lieber gewesen, würde ich vermuten.« Cosca sah mit zusammengekniffenen Augen durch den Rauchschleier zu dem zerstörten Fort hinüber. »Das Schicksal ist uns nicht immer wohlgesonnen.«
    »Sie haben leicht reden«, schnauzte Lorsen. Noch schlimmer – falls das überhaupt möglich war – wurde die ganze Angelegenheit dadurch, dass er in nur einer Nacht die Hälfte seiner Praktikale eingebüßt hatte, und dann auch noch die bessere Hälfte. Grimmig betrachtete er Wile, der noch immer an seiner Maske herumfummelte. Wie konnte ein Praktikal nur so bemitleidenswert unbedrohlich aussehen? Der Mann war der fleischgewordene Zweifel, und seine Nähe reichte beinahe schon, um in allen anderen Anwesenden ebenfalls die Saat des Zweifels zu säen. Keine Frage, Lorsen hatte in den vergangenen Jahren selbst oft genug gezweifelt, aber er tat trotzdem, was man von ihm erwartete, und hielt diese Gefühle fest verschnürt in einem kleinen Paket in seinem Inneren, so dass sie nicht herauslecken und seine Ziele aufweichen konnten.
    Die Tür schwang langsam und knarrend auf, und Dimbiks Bogenschützen bewegten sich nervös, richteten ihre Flachbogen auf das viereckige Stück Dunkelheit.
    »Jubair?«, bellte Cosca. »Jubair, haben Sie ihn erwischt? Antworten Sie, verdammt noch mal!«
    Etwas flog nach draußen, schlug mit einem hohlen Geräusch auf und rollte über den Schnee bis zum Feuer hinüber.
    »Was ist das?«, fragte Lorsen.
    Coscas Kinnmuskeln bewegten sich. »Jubairs Kopf.«
    »Das Schicksal ist uns nicht immer wohlgesonnen«, murmelte Brachio.
    Noch ein Kopf flog in hohem Bogen aus der Tür und krachte ins Feuer. Ein dritter landete auf dem Dach einer der Hütten, rollte von dort wieder herunter und blieb in der Gosse liegen. Ein vierter flog zwischen die Bogenschützen, und einer von ihnen zuckte aus Reflex zurück und ließ dabei die Sehne los, und der Bolzen schlug in ein Fass in der Nähe. Noch mehr Köpfe und noch mehr, mit flatterndem Haar und heraushängenden Zungen, Köpfe, die sich drehten und tanzten und Blut verspritzten.
    Der letzte stieg hoch in die Luft und rollte dann in elliptischem Bogen bis direkt vor Coscas Füße. Lorsen war niemand, der sich von ein bisschen Blut abschrecken ließ, aber selbst er musste zugeben, dass ihm diese Zurschaustellung stummer Brutalität ein wenig an die Nieren ging.
    Der Generalhauptmann hingegen zeigte sich weniger zimperlich, tat einen Schritt und beförderte den Kopf mit einem zornigen Tritt in die Flammen. »Wie viele Männer haben diese beiden alten Säcke inzwischen umgebracht?« Dabei war der Alte den beiden Genannten höchstwahrscheinlich um einige Jahre voraus.
    »Jetzt wohl so um die zwanzig«, vermutete Brachio.
    »Wenn das so weitergeht, dann gehen uns irgendwann die Leute aus!« Cosca wandte sich wütend an Sworbreck, der wild in

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