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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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unheimlichen Gedanken zu bestätigen schien?
Andrej schüttelte mit einiger Mühe sowohl seine Furcht als
auch den Gedanken an die beiden uneingeladenen gefiederten
Besucher auf ihrem Schiff ab, stieg auf das zertrümmerte
Vorderkastell hinauf und ließ seinen Blick am zersplitterten
Stumpf des Bugspriets entlang und weiter auf das noch immer
nahezu reglos daliegende schwarze Wasser gleiten.
Sein Herz machte einen erschrockenen Sprung. Hastig hob er
die Hand und winkte den Nubier herbei. »Abu Dun!«
Der war so schnell bei ihm, dass unter seinen Schritten das
Deck des Schiffes buchstäblich erbebte. Seine rechte Hand lag
auf dem Griff des gewaltigen Krummsäbels, der unter seinem
schwarzen Gewand hervorlugte; als glaube er, den entfesselten
Naturgewalten allein mit der Schärfe seiner Klinge Einhalt
gebieten zu können.
Doch es war keine Naturgewalt, auf die Andrej aus
schreckgeweiteten Augen hinabstarrte.
Vor dem geschändeten Bug der Schwarzen Gischt, verteilt in
einem fast perfekten Halbkreis und träge in der mit bloßem
Auge kaum sichtbaren Dünung schaukelnd, trieben ein gutes
halbes Dutzend länglicher, in schmutzig graues Segeltuch
eingeschlagene Bündel, mannslang und mit aufgequollenen
Tauenden verschnürt. Ein grausamer Zufall hatte sie so
angeordnet, dass sie im leichten Seegang des Ozeans einen
bizarren Totentanz aufzuführen schienen. Hier und da war das
schmuddelige Segeltuch mit hässlichen Flecken getrockneten
Blutes besudelt. Der nasse Stoff hatte sich um die Leichen der
erschlagenen Krieger zusammengezogen, sodass man die
Umrisse ihrer Körper erkennen konnte, wenn man nur genau
hinsah. Unter Andrejs Zunge sammelte sich bitterer Speichel,
als er sah, dass eine von grauer Leichenhaut umhüllte Hand aus
einem der Bündel herausragte und ihnen in der Dünung grüßend
zuzuwinken schien. Über ihnen krächzte wieder ein Rabe.
Antwortete er auf das Winken des Toten?
»Ich habe dir gesagt, dieses Schiff ist ein Wrack«, knurrte Abu
Dun.
Streng genommen hatte Andrej es gesagt, aber er wusste, was
der nubische Riese meinte, schon bevor er seinen Blick von den
tanzenden Leichen losriss und der Richtung folgte, in die Abu
Duns Hand wies. Die Schwarze Gischt war schon vor ihrer
Abreise in einem so erbärmlichen Zustand gewesen, dass sich
Andrej ernsthaft gefragt hatte, wie sie die Reise quer über das
Meer bis zu ihrem Zielort überhaupt hatte überstehen können,
nun aber war sie tatsächlich nichts mehr als ein schwimmender
Trümmerhaufen. Das allein hätte ihn nicht überrascht –
schließlich hatte er während der letzten Minuten selbst über
kaum etwas anderes nachgedacht – doch jetzt sah er, was der
Nubier meinte: Unweit des Hecks und direkt über der
Wasserlinie, sodass die schwarzen Wellen in gleichmäßigem
Takt gegen das muschelverkrustete Holz darunter klatschten und
sich gleich darauf gluckernd ins Innere des Schiffsrumpfs
ergossen, klaffte ein Riss von der Breite dreier nebeneinander
gelegter Hände und guter Manneslänge in der Flanke des
Schiffes. Etwas Helles schimmerte dahinter, tauchte auf und
verschwand, tauchte wieder auf und verschwand wieder, als
versuchte einer der stummen Passagiere im Bauch des Schiffes
beharrlich, seinem nassen Gefängnis zu entkommen. Andrej
versuchte das unheimliche Bild zu verscheuchen, aber es gelang
ihm so wenig, wie er der gestaltlosen Furcht Herr wurde, die
ihm die Luft abzuschnüren versuchte.
»Unsere Passagiere scheinen nicht zufrieden mit ihren
Unterkünften zu sein«, sagte Abu Dun. Es sollte ein Scherz sein,
aber das Zittern seiner eigenen Stimme verdarb ihm den Effekt
gründlich, und zu allem Überfluss stimmte nun auch noch einer
der Raben über ihnen ein missbilligendes Krächzen an. Andrej
warf einen ärgerlichen Blick über die Schulter hinweg nach
oben und bedauerte sofort, es getan zu haben.
Vielleicht hatte das Unwetter tatsächlich nur eine allzu kurze
Atempause eingelegt, denn am Horizont flackerten die Blitze
nun wieder in kürzerem Abstand und heller. Dann und wann
rollte das Echo eines schweren Donnerschlages über das Meer
heran, und auch der Wind frischte nun wieder spürbar auf und
zerrte nicht nur an ihren Kleidern und ihrem Haar, sondern auch
an dem vor Nässe glänzenden Federkleid der Raben. In dem
flackernden, rasend schnellen Wechsel von gleißender
Helligkeit und nahezu vollkommener Schwärze schienen sich
die Umrisse der beiden Tiere aufzulösen, wie Spiegelbilder auf

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