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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Hilflosigkeit ließ – und er erwachte mit hämmerndem
Pulsschlag und zitternd vor Angst und dem verklingenden Echo
seines eigenen Schreis in den Ohren, von dem er nicht ganz
sicher war, ob er ihn wirklich oder nur im Traum ausgestoßen
hatte.
»Ist alles in Ordnung, Andrej?«
    Andrej brauchte einen Moment, um die Stimme dem
nachtschwarzen Gesicht zuzuordnen, das besorgt aus fast zwei
Metern Höhe auf ihn herabsah, und noch einen weiteren, um
diesem Gesicht einen Namen zu geben. Erst dann wurde ihm
klar, dass das spöttische Grinsen auf Abu Duns Lippen nur
aufgesetzt war. Der Nubier hatte ihn Andrej genannt, nicht Hexenmeister, wie er es stets tat, wenn er ihn foppen oder sich
über ihn lustig machen wollte. Hinter dem geschauspielerten
Lächeln verbarg sich echte Sorge.
»Ja«, antwortete er mühsam. »Warum?«
    Abu Dun suchte einen Moment lang sichtbar nach Worten, ein
weiteres Indiz dafür, dass er besorgt war und irgendetwas nicht
stimmte. Durch die Ritzen des Decks über Abu Duns Turban
schimmerte graues Tageslicht, und Andrej hörte ein feines,
seidiges Rauschen. Offensichtlich war die Nacht vorüber, und
der Sturm hatte etwas anderem und Leiserem Platz gemacht.
Vielleicht Regen.
    »Du hast geschrien«, antwortete Abu Dun schließlich. »Im
Schlaf.« Er neigte fragend den Kopf. »Hast du schlecht
geträumt?«
    »Ja«, murmelte Andrej, während er sich mühsam aufsetzte und
die Beine von der schmalen Liege schwang.
»Von dir.«
Der Nubier lächelte pflichtschuldig, doch der Ausdruck von
Sorge in seinem Blick wurde stärker. »Ist auch wirklich alles in
Ordnung mit dir?«
Die ehrliche Antwort auf diese Frage wäre ein ganz klares
Nein gewesen, doch Andrej nickte nur trotzig, stützte die
Ellbogen auf den Knien auf und verbarg für einen Moment das
Gesicht in den Händen. »Was soll das?«, fragte er, während er
so tat, als müsse er ein Gähnen unterdrücken, in Wahrheit aber
tief und bewusst einatmete, um sein rasendes Herz auf diese
Weise vielleicht ein wenig zu beruhigen. »Hast du noch nie
schlecht geträumt, Pirat?«
»Öfter, als du ahnst«, antwortete Abu Dun mit ungewohnter
Offenheit. Andrej widerstand der Versuchung, zu ihm
aufzublicken, doch er spürte den Ernst, der in seiner Stimme
mitschwang. »Allerdings habe ich vorher selten versucht, mich
umzubringen, um ein paar Tote aus dem Wasser zu fischen.«
Andrej wollte mit einer patzigen Bemerkung antworten, doch
etwas hielt ihn zurück. Vielleicht war es Zufall, vielleicht hatten
Abu Duns Worte aber auch eine kurze, ungemein drastische
Erinnerung an den gerade überstandenen Albtraum geweckt, die
jetzt seinen ganzen Körper durchzuckte, und Andrej brauchte
seine ganze Willensstärke, um sich den Schrecken nicht
anmerken zu lassen, mit dem ihn die Bilder seines Traumes
erfüllten. Er war wieder auf dem Schiff gewesen, und auch der
Sturm hatte gewütet, und die beiden Raben hatten sie mit ihren
kalten schwarzen Augen beobachtet. Nur dass der Sturm kein
Sturm gewesen war, wie er ihn jemals erlebt hätte, so wenig,
wie der Himmel, der sich über dem kleinen Schiff spannte, ein
Himmel war, oder das Meer ein Meer; beides hatte sich in etwas
… anderes verwandelt, das zu beschreiben er keine Worte hatte,
weil es nichts war, was ein Mensch jemals zu Gesicht
bekommen hatte, und nichts, was ein Mensch jemals sehen sollte. Und auch die Raben waren keine Raben mehr, sondern …
unheimliche Kreaturen; riesige, düstere Gestalten mit reißenden
Klauen und grausamen Augen, die ihn voll unstillbarem Zorn
anstarrten. Ihr werdet sterben, hatte eines der Geschöpfe
gekrächzt, und Ihr habt euer Wort gebrochen hatte das andere
hinzugefügt.
»Ich habe nicht versucht, mich umzubringen«, antwortete er –
wenn auch erst mit einiger Verspätung, die Abu Dun
keineswegs verborgen bleiben konnte.
»Du wärst um ein Haar ertrunken«, erinnerte Abu Dun ihn
vorwurfsvoll.
»Ich kann nicht ertrinken«, versetzte Andrej.
»Das werde ich mir merken«, antwortete der Nubier. »Nur für
den Fall, dass du noch einmal auf eine so verrückte Idee
kommst. Ich meine: Das nächste Mal, wenn du dich in die
tosenden Fluten stürzt, setze ich mich einfach gemütlich hin und
schaue zu, ob du Recht hast.«
Andrej nahm nun doch die Hände vom Gesicht, warf ihm
einen ärgerlichen Blick zu und stand auf. Für einen Moment
wurde ihm schwindelig; vielleicht eine Nachwirkung des
Traumes, vielleicht hatte Abu Dun auch Recht, und er war
gestern

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