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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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bewegen ließ, ganz egal, wie sehr er es auch versuchte.
Einen Moment lang spielte er mit dem Gedanken, nach Abu
Dun zu rufen, verwarf ihn aber rasch wieder. Zumindest im
Augenblick fühlte er sich nicht so, als wäre er in unmittelbarer
Gefahr, und er konnte sich gut vorstellen, was der Nubier sagen
würde – zu Recht –, wenn Andrej nicht allein in der Lage
gewesen wäre, eine Tür zu öffnen. Wahrscheinlich wird es für
die nächsten fünfzig Jahre sein Lieblingsthema werden, dachte
er. Er nahm die Hand von der Klinke und fuhr noch einmal
prüfend mit den Fingerspitzen über die Tür. Sie sah aus und
fühlte sich an wie uraltes raues Holz, aber sie war so kalt wie
Eis.
Das Mädchen sah ihn einen Herzschlag lang aus Augen an, die
ihm noch dunkler als zuvor erschienen; schwarzer Granit, der
aus dem tiefsten Schoß der Erde stammte und nie das Licht der
Sonne gesehen hatte. Ihr Blick hatte auf unheimliche Weise an
Glaubwürdigkeit gewonnen. Unwirkliches grünes Licht
umflackerte ihre Gestalt und tanzte über ihrem Gesicht, und es
schien etwas mitzubringen, von dem er nicht wusste, was es
war.
Andrej fuhr sich nervös mit dem Handrücken über das Kinn,
wie um die verwirrenden Gedanken und Gefühle fortzuwischen,
die plötzlich in seinem Inneren tobten. Es blieb dabei: Liftrasil
erschreckte und verunsicherte ihn. Aber da war auch noch mehr.
»Komm«, sagte sie. Mehr nicht. Es war kein Befehl, und auch
keine Bitte, sondern ein Drängen, dem er sich auf schwer zu
fassende Weise nicht entziehen konnte, vielleicht, weil er es tief
in sich nicht wollte. Mit einer Bewegung, die elfenhaft und
gespenstisch zugleich war, wandte sie sich um und begann den
Flur entlangzugehen. Andrej hatte das Gefühl, dass sie den
Boden dabei nicht berührte und das tanzende Licht ihr
vorauseilte, aber auch dieses Phänomen vermochte er nicht mit
Blicken zu fixieren.
Er folgte dem Mädchen.
Der Flur schien sich endlos hinzuziehen. Flüchtig kam Andrej
in den Sinn, dass das Haus von außen betrachtet groß
ausgesehen hatte, aber nicht groß genug, um einen solchen,
vollkommen geraden Korridor zu beheimaten, doch auch diesen
Gedanken konnte er nicht festhalten.
Dass hier irgendetwas nicht mit rechten Dingen zuging, das
war ihm schon längst klar gewesen. Vielleicht war er nun auf
dem Weg, endlich Antworten auf einige seiner Fragen zu
bekommen.
Dann und wann kamen sie an niedrigen, allesamt
geschlossenen Türen vorbei. Der Korridor beeindruckte ihn
durch seine enorme Länge, war aber ansonsten vollkommen
schmucklos.
Andrej versuchte ein oder zweimal, zu dem Mädchen
aufzuschließen, was ihm aber sonderbarerweise nicht gelingen
wollte. Ganz gleich, wie schnell oder langsam er auch ging, sie
bewegte sich stets eine Winzigkeit rascher, wenn auch nicht
schnell genug, um ihn ganz zurückfallen zu lassen.
Endlich wurde sie langsamer, blieb vor einer der
geschlossenen Türen stehen und hob die Hand. Als das
Mädchen den wuchtigen Riegel berührte, sprang die Tür mit
einem leisen Knarren auf, das sich in Andrejs Ohren nicht wie
das Geräusch von Metall anhörte, sondern wie der Laut von Eis,
das über Eis scharrt.
Liftrasil ließ ihm jedoch keine Zeit, sich den Kopf darüber zu
zerbrechen, sondern trat einen halben Schritt zurück und machte
eine einladende Geste. »Tritt ein.«
Andrej, der mittlerweile hoffnungslos verwirrt war, gehorchte,
doch ein winziger Teil von ihm blieb noch auf der Hut. Als er an
ihr vorüberging, schmiegte er die rechte Hand um den
Schwertgriff, und ein kurzer Schatten huschte über Liftrasils
Züge, als hätte sie die Bewegung nicht nur gesehen, sondern
auch richtig gedeutet, und gäbe sich Mühe, ihn ihre Verletztheit
nicht spüren zu lassen.
Und noch etwas Sonderbares geschah. Andrej war ihr bisher
nicht wirklich nahe gekommen, und als er so dicht an ihr
vorüberging, dass er die Schultern drehen musste, um sie nicht
zu berühren, hatte er das Gefühl, von einem eisigen Hauch
gestreift zu werden, der ihn erschauern ließ.
Der Raum, in den er nun trat, war nicht so riesig wie die große
Eingangshalle, in der er Abu Dun zurückgelassen hatte, dennoch
erstaunlich groß, dabei aber ebenso wie die Halle nahezu leer.
Es gab einen Tisch, einen einzelnen Stuhl und ein niedriges
Bett, das mit Tierfellen bedeckt und so groß war, dass auch drei
oder vier Menschen bequem darauf hätten liegen können.
Auch dieser Raum war von einem unwirklichen Lichtschein
erfüllt, der aus dem

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