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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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lang und
so kräftig, wie sie sind.« Er runzelte die Stirn, setzte dazu an,
noch etwas zu sagen, und stolperte über einen Stein. Im letzten
Moment fing er sich, fauchte aber nun: »Da siehst du, was du
angerichtet hast!«
    Andrej war klug genug, darauf nichts zu sagen, doch Fjalar
brauchte kein Stichwort. »Statt Maulaffen feilzuhalten und mir
meine selbstlose Hilfe zu danken, indem du mich beschimpfst,
Langer, könntest du mich ja tragen – dann wären wir
wahrscheinlich schneller am Ziel.«
    Falls es dieses Ziel überhaupt gab, dachte Andrej. Er sprach
auch das nicht aus, schon weil er wusste, wozu eine solche
Bemerkung führen würde, doch Fjalar machte nur noch zwei,
drei trippelnde Schritte, blieb dann stehen und deutete
triumphierend noch einmal in dieselbe Richtung wie eben.
    »Dort! Siehst du?«
Auch Andrej blieb stehen und strengte die Augen an. Im ersten
Moment sah er nichts, jedenfalls nichts anderes als zuvor.
Irgendein boshafter Gott hatte alle Farben aus diesem Land
gewaschen, das nur aus Felsen und Eis bestand. Tanzende
Schneeflocken und der Dampf der heißen Quellen begannen
seine Sinne in zunehmendem Maße zu verwirren, sodass er
    meinte, Bewegung zu sehen, wo keine war. Ganz plötzlich
wurde Andrej klar, wie vollkommen er sich diesem Zwerg
ausgeliefert hatte, den er nicht einmal richtig kannte. Hätte
Fjalar aus reiner Bosheit beschlossen, ihn einfach so lange im
Kreis herumzuführen, bis seine Kräfte erschöpft waren, er hätte
es nicht einmal gemerkt. Für ihn sah hier einfach alles gleich
aus.
    Dann aber bemerkte er doch etwas. Weiter vor ihnen,
vielleicht eine Meile, vielleicht auch hundert – in einem Land
ohne Horizont und ohne Bäume und Häuser und Menschen war
es fast unmöglich, die Entfernungen zu schätzen –, erhob sich
ein Schatten gegen den Himmel, dunkelgrau und hart. Eine
Form, die ihm Unbehagen bereitete, auch wenn er nicht wusste,
warum.
    »Das ist es?«, fragte er leise.
»Das ist der Hexenfelsen«, bestätigte Fjalar. Seine Augen
wurden schmal. Andrej hätte noch vor einer Minute seine Seele
darauf verwettet, dass es nicht möglich war, doch sein Gesicht
wirkte jetzt noch abstoßender, vielleicht weil es plötzlich etwas
Verschlagenes hatte. »Dort lebt Gryla, die Hexe. Was hast du
erwartet, Großer? Ein prachtvolles Schloss aus Eis und Gold,
das von Drachen beschützt wird?«
»Nein«, antwortete Andrej knapp. Er ging weiter und gab dem
Gnom mit einer Geste zu verstehen, ihm zu folgen. Fjalar
gehorchte auch, doch mit so kurzen, trippelnden Schritten, dass
er noch langsamer wurde. Er sagte nichts, doch die Blicke, die
er Andrej immer wieder unter seiner Kapuze hervor zuwarf,
waren eindeutig.
Andrej kämpfte noch einen Moment lang mit seinem Stolz,
dann resignierte er und nahm den Zwerg kommentarlos auf die
Arme. Am liebsten hätte er ihn an den Füßen ergriffen und so
lange geschüttelt, bis alle Antworten aus ihm herausfielen, die er
ihm trotz aller Schwatzhaftigkeit bisher verweigert hatte. Doch
Andrej hatte keine Wahl, er war auf den Zwerg angewiesen. Es
ging hier nicht um seinen Stolz. Wenn sie nicht bald auf Gryla
trafen, wenn die Hexe nicht die war, die Fjalar versprochen
hatte, oder wenn sich der Gnom einfach nur wichtig gemacht
hatte – auch das war eine Möglichkeit, die er ganz ernsthaft
erwogen und einzig wieder verworfen hatte, weil dann ohnehin
alles verloren war –, dann würde Abu Dun sterben.
    Der Weg war doch weiter gewesen, als Andrej geglaubt hatte,
und der Zwerg, den er am Anfang locker in der Armbeuge
getragen hatte, schien mit jedem Schritt schwerer zu werden;
schließlich hatte Andrej ihn sich wie ein Kind auf die Schultern
gesetzt, und Fjalar hatte diesen unerwarteten Ritt auch mit ganz
kindlicher Freude genossen. Er erinnerte allerdings mehr an ein
boshaftes Kind, das sich einen Spaß daraus machte, sein
zweibeiniges Reittier nach Kräften anzutreiben und auch nicht
mit Hohn und Spott zu geizen, als sich der Weg dahinzog und
Andrejs Kräfte nachzulassen begannen.
    Jetzt aber hatten sie es geschafft. Der Hexenfelsen lag vor
ihnen, und Andrej dachte noch einmal daran, was ihm schon
beim ersten Blick auf das monströse Gebilde aus Fels und
erstarrten Schatten durch den Kopf geschossen war: Dieser
Felsen war durch und durch unheimlich.
    Er vermochte sein Gefühl nicht in Worte zu kleiden. Was er
sah, schien ganz normaler grauer und schwarzer Granit zu sein,
nicht mehr, aber auch nicht weniger, und

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