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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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zu spät – auch wenn«, fügte sie
erstaunt hinzu, »er eigentlich gar nicht mehr leben dürfte.«
Mehr als in ihren Worten verbarg sich in ihrem Blick eine
Frage, die er nicht beantworten wollte. Gryla verstand und sie
führte ihre angefangene Bewegung nun zu Ende und förderte ein
winziges, sonderbar geformtes Fläschchen aus grünem Glas
unter ihrem Mantel zutage, das mit einem ebenfalls gläsernen
Korken verschlossen war. »Du kennst deinen Freund besser als
ich«, sagte sie. »Was meinst du – wird er mir die Hand
abbeißen, wenn ich versuche, ihm diese Medizin einzuflößen?«
Andrej runzelte flüchtig die Stirn. Grylas Frage entbehrte nicht
einer gewissen Berechtigung. Als die Fieberträume ihren
Höhepunkt erreicht hatten, hatte Abu Dun tatsächlich versucht,
ihn zu erwürgen, und Andrej hatte es wohl einzig dem Umstand
zu verdanken, dass das Fieber dem Nubier zugleich auch den
größten Teil seiner Kraft genommen hatte, dass er diesen
Angriff hatte abwehren können und noch am Leben war. Statt zu
antworten, kniete er hinter dem Nubier nieder und hielt ihn fest,
so gut er konnte. Er schauderte, als er spürte, wie kalt Abu Duns
Haut war, so kalt wie das Eis, auf dem er lag.
Seine Vorsicht erwies sich jedoch als überflüssig. Mit
erstaunlichem Geschick und überraschender Kraft wälzte Gryla
den hünenhaften Nubier auf den Rücken, zog seinen Kopf
zurück und träufelte wenige Tropfen der farblosen Flüssigkeit in
seinen Mund, die der grüne Glasflakon enthielt. Abu Dun
versuchte weder nach ihr zu beißen noch sie zu schlagen,
sondern stöhnte nur leise im Schlaf. Dann begann er zu
schmatzen.
»Es scheint ihm zu schmecken«, sagte Gryla amüsiert,
während sie das Fläschchen bereits wieder verschloss und unter
ihrem Mantel verschwinden ließ.
Andrej war verwirrt. »Und?«, fragte er.
Gryla schüttelte den Kopf. »Nichts und«, antwortete sie. »Jetzt
müssen wir warten.« Sie schien wohl selbst einzusehen, dass
sich Andrej mit dieser Auskunft nicht zufrieden geben würde,
lächelte ihn flüchtig an und zeigte in die Richtung, aus der sie
gekommen waren. »Um deinem Freund wirklich zu helfen,
muss ich ihn in mein Haus bringen«, sagte sie. »Doch er ist zu
schwach, um die Reise dorthin zu überleben. Wir hätten nicht
eine Minute später kommen dürfen.«
Andrej beschloss, den unausgesprochenen Vorwurf zu
ignorieren, der in diesen Worten lag. Er hatte getan, was er
konnte. »Und deine Medizin?«
»Ist nur dazu gut, ihn zu stärken«, antwortete Gryla. »Aber
keine Sorge. Sie wirkt schnell. Sobald er kräftig genug ist, laden
wir ihn auf den Schlitten und bringen ihn zu mir. Dort habe ich
alles, was ich brauche, um das Gift der Traumspinnen aus ihm
herauszusaugen.«
Dieses letzte Wort gefiel Andrej nicht. Es gefiel ihm ganz und
gar nicht, denn es weckte unangenehme Assoziationen in ihm.
Aber er beherrschte sich und fragte nur: »Wie lange wird es
dauern?«
»So lange es eben dauert«, antwortete Gryla, plötzlich
verstimmt. Sie stand auf. »Ich sehe schon einmal nach dem
Schlitten und bereite alles vor.« Und damit ging sie.
Andrej blieb hilflos zurück, verstört und verärgert, aber auch
von einem immer stärker werdenden unguten Gefühl erfüllt.
Abu Dun und er waren im Laufe ihres langen Lebens in so viele
gefährliche Situationen geraten, hatten sich so oft gegenseitig
das Leben gerettet, dass etwas in ihm – nicht sein Verstand, der
wusste es besser – einfach vergessen hatte, dass auch sie trotz
allem nicht unsterblich waren. Weder die Zeit noch Krankheit,
Gift oder scharfer Stahl vermochten ihnen etwas anzuhaben,
doch jetzt traf ihn der Anblick seines fiebernden Freundes umso
härter, führte er ihm doch auch seine eigene Verwundbarkeit
deutlich vor Augen.
Trippelnde Schritte ließen ihn aufsehen. Er erwartete, Gryla
zurückkommen zu sehen, doch es war der Späher.
»Wo bist du gewesen?«, fuhr Andrej ihn an.
»Ist das der Dank, dass ich dich selbstlos zu der Hexe gebracht
habe und sogar damit einverstanden war, dass sie hierherkommt
und mein Haus mit ihrer Anwesenheit besudelt?«, fauchte
Fjalar.
Andrej wollte schon im gleichen Ton antworten, da meldete
sich sein schlechtes Gewissen. Der Gnom hatte recht. Letzten
Endes waren Abu Dun und er für ihn Fremde, denen er
Gastfreundschaft gewährt hatte. Doch so weit reichte seine
Einsicht nicht, dass er sich bei dem Zwerg entschuldigt hätte.
»Du magst sie nicht besonders, wie?«, fragte er stattdessen.
»Mögen?«, krähte Fjalar mit

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