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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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angeekeltem Gesicht. »Du
machst dich über mich lustig, Großer!«, behauptete er. »Gryla!
Gryla mit den dreizehn Söhnen! Wer kann eine Hexe wie sie
mögen?«
»Dreizehn?«, wiederholte Andrej überrascht. Die Worte
brachten etwas in ihm zum Klingen. Ihm war, als hätte er sie
schon einmal gehört, allerdings in einem anderen, schrecklicheren Zusammenhang.
»Gryla mit den dreizehn Söhnen!«, bestätigte Fjalar und nickte
so heftig, dass die Kapuze von seinem Kopf rutschte und Andrej
einen Blick auf sein abgrundtief hässliches Gesicht gewährte.
»Obwohl eine Hexe in diesem Land eigentlich keine Söhne
haben kann und es deshalb Gryla mit den dreizehn Töchtern
heißen müsste – wenngleich nicht auch das unmöglich wäre.«
»Aha«, machte Andrej auf diese kryptischen Worte hin und
versuchte, den wirbelnden grauen Dampf hinter dem Zwerg mit
Blicken zu durchdringen. Noch einen Moment zuvor war ihm
Grylas Anwesenheit unangenehm gewesen, jetzt wünschte er
sich fast, sie käme zurück. »Und was hat sie dir getan?«, fragte
er wider besseres Wissen. Jede Frage konnte erneut zu einem
nicht enden wollenden Redeschwall führen.
»Getan?«, ereiferte sich der Gnom. »Getan, fragst du? Was sie
mir getan hat?«
»Ja«, seufzte Andrej.
»Sieh dich doch hier um, Langer!«, fauchte Fjalar. »Schau
dich ruhig in meinem Palast um! Es ist gemütlich hier und
warm, nicht wahr? Und all diese Pracht und der Luxus, all die
kostbaren Möbel und Kleider, all die Diener und Mägde, die mir
jeden Wunsch von den Augen ablesen! Ich vergehe vor
Dankbarkeit, in jeder Minute, die ich an diesem Ort verbringen
darf!«
Das verstand Andrej nicht, und er sagte es auch.
»Es ist ihre Schuld, dass ich hier in diesem Loch leben muss
statt in einem Palast, wie er mir zustände!«, behauptete Fjalar.
Andrej verstand immer noch nicht. »Du meinst …«, begann er.
»Ja, ich meine!«, giftete Fjalar. »Du hast ihren Palast gesehen!
Das war mein Zuhause. Früher einmal habe ich dort gelebt, und
das Land, so weit das Auge reicht, hat mir hört! Dann ist die
Hexe gekommen und hat mich verjagt!« Sein Blick wurde
bohrend. »Und da fragst du mich, was ich gegen sie habe!«
Einen Moment lang wartete er vergebens auf eine Antwort.
Als Andrej aber ungläubig schwieg, schürzte er wütend die
Lippen, stampfte wie ein trotziges Kind mit dem Fuß auf und
fuhr auf der Stelle herum, um in dem grauen Dunst der Höhle zu
verschwinden.
    Nach einer Weile kam nicht Gryla zurück, sondern ein sehr
hochgewachsener, schlanker Mann mit finsterem Gesicht und
kräftigen Händen. Andrej war verblüfft, denn Gryla und er
waren allein gekommen. Doch er richtete keine Frage an den
Fremden und wollte Abu Dun schon unter den Achseln
ergreifen, um ihn aus der Höhle zu tragen, da schüttelte der
Fremde den Kopf und bedeutete ihm zurückzutreten. Als Andrej
verblüfft und widerstrebend gehorchte, schulterte er den drei
Zentner schweren Nubier ohne die geringste Anstrengung und
trug ihn gebückt ins Freie. Zutiefst verwirrt folgte ihm Andrej.
    Der Sturm hatte noch einmal an Kraft gewonnen. Das
Schneetreiben war so dicht geworden, dass er selbst den
Hundeschlitten nur noch als verschwommenen Schemen hinter
den wehenden weißen Vorhängen aus eisigen Flocken erkennen
konnte und sogar achtgeben musste, den Anschluss an seinen
sonderbaren neuen Führer nicht zu verlieren. Der stapfte
hochaufgerichtet vor ihm durch den Schnee und trug Abu Dun
mühelos in seinen Armen, als handele es sich um ein kleines
Kind. Ebenso geschickt lud er ihn auf dem Schlitten ab und
wandte sich schon zum Gehen, da ergriff Andrej ihn rasch an
der Schulter und hielt ihn zurück.
»Einen Moment«, sagte er. »Ich will mit dir reden.«
    Der Fremde – irgendetwas war in seinen Augen, das Andrej
bekannt vorkam, doch der Anblick war so verstörend, dass er
davor zurückschreckte, den Gedanken weiterzuverfolgen –
streifte seine Hand mit einem lässigen Zucken der Schultern ab,
blieb aber gehorsam stehen und sah Andrej fragend an.
    »Wer bist du?«, fragte Andrej. »Wo kommst du her?«
»Ich bin Grylas Diener«, antwortete der andere. Seine Stimme
klang irgendwie … vertraut, und auch dieser Gedanke entglitt
    Andrej, bevor er ihn endgültig fassen konnte.
»Ihr Diener?«, wiederholte er.
»Ich wache über sie«, antwortete der Riese. Seine Stimme
    klang sanft, teilnahmslos, und dennoch hätte Andrej taub sein
müssen, um die Warnung zu überhören, die in seinen Worten

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