Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:

mitschwang.
    »Und wo kommst du so plötzlich her?«, fragte er.
»Ich bin immer in der Nähe«, antwortete der andere, »keine
Sorge.« Er trat einen halben Schritt zurück, wodurch er fast im
Schneetreiben verschwand. »Wenn Ihr meine Hilfe braucht,
Herr, dann ruft einfach nach mir.« Und damit ging er.
    Andrej starrte einen Moment lang ebenso verblüfft wie
erschrocken auf die Stelle, an der der Sturm die hochgewachsene Gestalt einfach fortgeweht zu haben schien, dann
machte er suchend einen raschen Schritt, stockte aber sofort. Der
Fremde war einfach verschwunden, und auch seine Fußspuren
waren nicht mehr zu sehen. Konnte es sein, dass der stürmische
Wind sie so schnell ausgelöscht hatte?
    Bevor Andrej eine Antwort auf diese Frage finden konnte,
bemerkte er eine Bewegung in seinem Rücken, und Gryla kam
zurück. Sie hatte die Kapuze ihres weißen Fellmantels tief ins
Gesicht gezogen, um sich vor dem beißenden Wind zu schützen,
doch Andrej glaubte das spöttische Funkeln ihrer Augen fast
körperlich zu spüren. Er ahnte auch, dass sie erwartete, von ihm
auf ihren sonderbaren Diener, Beschützer, oder was auch immer
er in Wahrheit sein mochte, angesprochen zu werden, aber
diesen Gefallen tat er ihr nicht. Stattdessen stieg er rasch auf den
Schlitten. Gryla folgte ihm wortlos und nahm neben ihm Platz.
Sofort setzte sich das Gefährt in Bewegung, und sie jagten den
Weg zurück, den sie vorhin gekommen waren. Sturm und
tanzender Schnee verschlangen Fjalars Eishöhle hinter ihnen
spurlos, so als hätte sie niemals existiert.
    Der Himmel war grau, eine öde Fläche ohne Konturen, die von
einem Ende des Universums bis zum anderen reichte und
vielleicht darüber hinaus. Er schien nicht nur jedes Licht, jede
Bewegung, sondern auch die Zeit selbst verschlungen zu haben.
Andrej wusste nicht, wie lange er nun schon hier stand und
durch dieses unheimliche, glaslose Fenster, das Kälte und Wind
trotzdem Einhalt gebot, nach draußen blickte. Stunden
sicherlich, vielleicht auch nur Minuten, ebenso gut aber auch
Tage. Zeit bedeutete nichts mehr in diesem Winkel der Welt.
    Zu seinen Füßen jagte der Wind vergängliche Skulpturen aus
Schnee über eine eisige Landschaft aus Fels und Stein, die
niemals dem Leben Halt geboten hatte und es auch niemals tun
würde, und Andrej hatte das Gefühl, dass allein der Anblick
dieser Einöde reichte, auch das Leben in ihm ganz allmählich
erlöschen zu lassen.
    Nachdem der Hundeschlitten den Hexenfelsen erreicht hatte,
war Gryla wortlos hinter der Tür verschwunden, die sich wieder
geheimnisvoll vor ihnen aufgetan hatte. Nur einen Augenblick
später war der große Mann zurückgekommen, hatte ohne ein
Wort Abu Dun hochgehoben und ihn vor Andrej her die
schmale Treppe nach oben getragen. Er hatte den Nubier in ein
Zimmer getragen, in dem es ein schmales steinernes Bett gab,
dort hatte er ihn abgelegt und dann das Zimmer verlassen.
    Kurz danach war Gryla zurückgekehrt, jetzt nicht mehr in
ihrem weißen Fellmantel, sondern in einem schlichten
schwarzen Gewand, dafür aber mit einem Tablett, auf dem sich
winzige Tiegel und Töpfe, lederne Beutel und Gläser und
Schalen stapelten, und sie hatte Andrej – freundlich, aber auch
unmissverständlich – aus dem Zimmer komplimentiert und ihn
angewiesen, draußen auf sie zu warten.
    Seither war nichts geschehen. Weder war der stumme Diener
zurückkommen noch hatte sich hinter der Tür, die Gryla
zwischen ihm, Abu Dun und dem, was immer sie auch tun
mochte, geschlossen hatte, irgendetwas gerührt. Selbst Andrejs
scharfem Gehör war es nicht möglich gewesen, auch nur den
kleinsten Laut wahrzunehmen, und vielleicht erschreckte ihn das
am allermeisten. Er fragte sich, ob es wirklich gut gewesen war,
auf Fjalar zu hören und hierherzukommen. Gryla war vielleicht
keine Hexe, doch sie mochte durchaus etwas viel Schlimmeres
sein.
    Andrej schüttelte den Gedanken ab, verärgert über sich selbst.
Er war nervös, war erschöpft und fühlte sich krank vor Sorge
um Abu Dun. Er musste aufpassen, in seinem Misstrauen nicht
vielleicht den einzigen Menschen zu verschrecken, der Abu
Duns Leben noch retten konnte.
    Endlich hörte er ein Geräusch hinter sich und fuhr hastig herum.
Es war Gryla, die die Tür sorgsam hinter sich ins Schloss zog.
Andrej versuchte vergeblich, einen Blick durch den schmaler
werdenden Spalt in den dahinterliegenden Raum zu erhaschen.
»Wie geht es ihm?«, fragte er.
    Sehr langsam

Weitere Kostenlose Bücher