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Blutkrieg

Blutkrieg

Titel: Blutkrieg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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geworden, zitternd
vor Kälte, und mit gekrümmten, steif gefrorenen Fingern, die
bei jeder Bewegung wehtaten, und schmerzender Kehle, als
atme er keine Luft, sondern flüssiges Eis, das ihn von innen
heraus gefrieren ließ und seinem Körper auch noch das
allerletzte bisschen kostbarer Wärme entzog. Das Feuer, das sie
unter so vielen Mühen entzündet hatten, hatte nur noch schwach
geglommen, was ihn nach panischem und sinnlosem
Herumstochern in der erlöschenden Glut sehr schnell
hochgetrieben hatte, um neues Brennholz zu suchen; ein Gut,
das in diesem öden, selbst von den Göttern vergessenen Winkel
der Welt kostbarer war als Gold.
    Jetzt brannte es wieder lichterloh, vielleicht sogar höher, als
gut war. Prasselnde Flammen leckten an der Unterseite des
Felsvorsprungs und verliehen dem Stein einen flüchtigen
Überzug aus Ruß – vergängliche Kunstwerke aus
verschlungenen Linien und bizarren Formen. Das Feuer warf
bizarre Schatten auf den nur an wenigen Stellen von Schnee
bedeckten Fels unter ihren Füßen, hier, wo es ein winziges
bisschen wärmer war als irgendwo sonst an der Küste dieser aus
Fels und Schnee und Eis bestehenden Insel. Andrej hatte längst
vergessen, wie es war, nicht zu frieren.
    Aber das war beileibe nicht sein größtes Problem. Er hatte das
Feuer wieder in Gang gebracht, aber auf diesem Land musste
tatsächlich ein Fluch lasten. Je kälter es wurde – und es wurde
mit jeder Stunde kälter, was seiner geheimen Sorge neue
Nahrung gab, dass sie sich in Wahrheit weiter nach Norden
bewegten statt nach Süden, wie sie es eigentlich vorgehabt
hatten –, desto schneller schienen die Flammen das Holz
aufzuzehren, mit dem er sie nährte.
    Ihm war rasch klar geworden, dass das Feuer nur zu bald
wieder erlöschen würde, und er war – wider besseres Wissen
und die Warnung seiner inneren Stimme missachtend – noch
einmal aufgebrochen, um mehr Feuerholz zu holen.
Unvernünftig oder nicht – wenn das Feuer erlosch, bestand die
ganz konkrete Gefahr, dass Abu Dun erfror.
    Viel zu spät hatte er erkannt, dass er besser daran getan hätte,
auf die Stimme seiner Vernunft zu hören, denn kaum hatte er
sich wenige hundert Schritte von ihrem improvisierten
Nachtlager entfernt, da hatte er begriffen, dass er in eine Falle
getappt war. Das Feuer war nicht von selbst erloschen, und als
er das untere Ende des steilen Bergpfades erreicht hatte, hatten
die Schreie und der Lärm begonnen.
    Jetzt sah er es. In der niemals endenden Dämmerung, die
dieses Land in ihrem Würgegriff hatte, waren die kämpfenden
Gestalten kaum mehr als Schemen, die sich mit geisterhaften
Bewegungen zu umtanzen schienen. Doch er sah trotzdem, dass
es gleich mehrere Angreifer waren, die Abu Dun im Schlaf
überrascht haben mussten und ihn jetzt – ein Anblick, der
ebenso selten wie unglaublich war – auf dem schmalen Felsgrat
vor sich hertrieben wie eine Meute wilder Hunde eine
leichtsinnige Katze, die nicht rechtzeitig genug auf den Baum
geflohen war.
    Durch das Prasseln der Flammen und das Knistern und
Knacken des zerbrechenden Holzes, das dumpfe Echo der
Schritte und die keuchenden Atemzüge hörte Andrej das
boshafte Zischen, mit dem geschliffener Stahl durch die Luft
fuhr, das harte, metallische Geräusch, mit dem Abu Duns
Krummsäbel gegen die Klingen der Angreifer prallte, und die
spitzen Schreie, mit denen sich die Kämpfenden gegenseitig
anfeuerten. Er konnte keine Einzelheiten erkennen, nur ein
Durcheinander aus Armen und Köpfen und Gliedern und
blitzendem Metall, auf dem sich Feuerschein spiegelte, doch
was er sah, reichte aus, um seinen Herzschlag noch mehr zu
beschleunigen und rascher ausgreifen zu lassen, als er es auf
dem tückischen Untergrund normalerweise gewagt hätte.
    Noch vor wenigen Stunden hatte er geglaubt, dieser Boden
wäre das Schönste, was er jemals gesehen hatte, gab er ihm doch
das erste Mal seit Tagen Hoffnung, der Kälte zu entkommen,
mit dem Grün lebender Flechten und Wurzeln, das sich
allmählich in das monotone Einerlei aus hartem Stein und
glitzerndem Eis mischte, durch das sie sich geschleppt hatten.
Jetzt drohte er bei jedem zweiten Schritt zu straucheln, und mehr
als einmal war er schon aus dem Tritt gekommen und um ein
Haar gestürzt; ein Missgeschick, dass er sich nicht erlauben
konnte, denn zum einen gähnte zu seiner Rechten ein gut
zwanzig Meter tiefer Abgrund, zum anderen mochte ein Sturz
Abu Duns Todesurteil bedeuten.
    Er

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