Blutleer
nicht mal sagen warum. Ich habe mich nie dahin gesetzt, wo er war.«
Oder Markus Metze, ein Jurist aus Dortmund, der in Bochum arbeitete und Hirschfeld in der Nähe der kleinen Fatma gesehen hatte. Auch er lieferte gute Beschreibungen der Leute, mit denen er regelmäßig fuhr. »Natürlich nehme ich nicht jeden Abend die gleiche Bahn«, sagte er. »Ich mache oft Überstunden, aber manchmal schaffe ich es auch eher aus dem Büro.« Doch meist wurde es sieben, und dann begegnete er Fatma mehrmals, die manchmal eine Stoff-Klaviatur auf ihren Knien liegen hatte und Trockenübungen machte. Eine junge Frau namens Ursula Langer hatte auch ein paar Beschreibungen beigesteuert. Hirschfeld kannte sie nicht. Aber eine weitere junge Frau, Tanja Dalgicer, bestätigte das häufig geäußerte Unbehagen gegenüber Hirschfeld. »Er wirkte irgendwie schmierig.«
Irgendetwas an dieser Wand beunruhigte Barbara. Sie kannte das. Es war das Gefühl, etwas übersehen zu haben. Leider konnte man sich nicht darauf verlassen. Man hatte immer den Eindruck, etwas vergessen zu haben. Aber hier war das nicht wichtig. Denn der Mörder war ja bereits gefasst.
Sie holte sich die für sie bereits vorbereiteten Protokoll-Abschriften der letzten Tage und verließ das Polizeipräsidium.
Als sie im Auto ihr Handy wieder einschaltete, fand sie eine Nachricht von Thomas’ Mutter. Sie rief sofort zurück.
»Barbara, gut dass du dich endlich meldest.«
»Was ist los, Annette?«
»Das Mädchen ist immer noch hier.«
»Das ist seine Sache.«
Sie hörte Annette schlucken. »Barbara, ich kann wirklich verstehen, dass du ausgezogen bist. Thomas sagte mir, dass sie heute geht, aber er rührt keinen Finger. Redet mit ihr im Gästezimmer, geht dann wieder in eure Wohnung. Sie ist mir unheimlich.«
»Das sollte sie dir auch sein. Ich halte sie für gefährlich.«
»Thomas sagt, du übertreibst.«
»Annette, auf dem Gebiet habe ich wohl mehr Erfahrung, oder?«
»Ja.« Annette klang kleinlaut. »Kannst du sie nicht aus dem Haus schaffen? Bitte!«
»Nein. Das ist Sache deines Sohnes.«
»Aber er tut es doch nicht! Barbara!«
»Solange sie da ist, werde ich das Haus nicht betreten, Annette. Tut mir Leid, ich kann dir nicht helfen.«
Annette machte eine Pause. Barbara hätte am liebsten aufgelegt, aber sie traute sich nicht. Ihr gutes Verhältnis zu Annette war schwer erkämpft und hatte bereits Risse. Und Annette hatte es nicht verdient, unter ihrer Ehekrise zu leiden.
»Barbara, ich möchte nicht, dass eure Ehe an so etwas scheitert.«
»Das möchte ich auch nicht. Aber Thomas hat ihr erlaubt zu bleiben, und er muss das regeln. Hör zu, Annette.« Barbara überlegte kurz. »Wenn sie am Samstag nicht aus dem Haus ist, dann werde ich helfen, in Ordnung?«
»Gut.« Annette seufzte. »Wie geht es dir denn? Wo schläfst du?«
»Ich bin bei Heinz. Aber bitte sag Thomas nichts davon. Wir werden uns ohnehin morgen Nachmittag sehen.«
Annette versprach es. Sie klang nicht beruhigter mit der Aussicht, Katharina noch ein paar Tage in der Villa zu haben.
Barbara machte sich auf den Weg nach Rheinhausen und nahm sich von unterwegs eine Pizza mit. Heinz’ Eintopf mochte noch so gut sein, wie Jakubian ihr bestätigt hatte, sie würde ihn nicht herunterbekommen.
Den ganzen Nachmittag bis tief in die Nacht hatte Barbara in Heinz’ Küche gesessen und gearbeitet. Der Bericht war zwar nicht fertig, aber Barbara wusste, wo es langging. Es war ihr immer leicht gefallen, Material zu strukturieren und ihrer Arbeit ein vernünftiges Gerüst zu geben. So ging ihr das Schreiben leicht von der Hand.
Heinz versorgte sie zwischendurch mit Kaffee und Wasser. Sie machte eine Pause zum Abendbrot.
»Zu welchem Schluss kommst du?«, fragte Heinz. »Wollte er nur Aufmerksamkeit erregen?«
»Das ist sein Hauptmotiv für die Morde und auch das Motiv dafür, dass er sich gestellt hat, soviel ist klar. Aber die Art, wie er die Morde begangen hat, zeigt, dass die sexuellen Motive mindestens ebenso stark waren. Wenn er nur Publicity gewollt hätte, hätte er es anders anstellen können. Einen Promi umbringen zum Beispiel.«
Heinz sah nachdenklich in sein Wasserglas. »Jakubian hat mir das meiste Material mitgebracht. Ich finde, da ist ein Widerspruch zwischen der Person Hirschfeld, der Art wie er spricht und denkt und seiner überlegten Handlungsweise.«
»Aber Hirschfeld ist nicht dumm, wenn du das meinst.« Barbara ließ das Messer sinken. Wieder war da dieses ungute Gefühl.
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