Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Blutleer

Blutleer

Titel: Blutleer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
Vom Netzwerk:
bei Hirschfeld. Allerdings keine Morde, nicht mal Vergewaltigungen.«
    »Verdammt, Ruben, wie lange hast du diese Akten schon? Ich kann mich nicht erinnern, deinen Schreibtisch in der letzten Zeit ohne diesen Aktenstapel gesehen zu haben.«
    Er seufzte. »Etwa zwei Wochen. Ich dachte, zur Vollständigkeit der Untersuchung gehört das dazu. Weil im BKA-und im LKA-Computer nichts war, hatte ich schon ganz zu Anfang eine Anfrage an die Städte geschickt, die beteiligt sind.«
    »Aber das wirft doch ein völlig anderes Licht auf Hirschfeld und sein Geständnis!«
    »Wir haben ihn doch, Barbara! Es gibt ein Geständnis und sechs Morde. Diese Fälle hier sind doch unwichtig dagegen. Niemand ist ernsthaft verletzt worden, sie wurden nicht mal vergewaltigt. Bei so einem großen Fall muss man pragmatisch denken.«
    »Scheiße, Ruben, wann immer in einem meiner früheren Fälle pragmatisch gedacht wurde, gab es eine Katastrophe. Ich hatte die ganze Zeit so ein blödes Gefühl.«
    Sie wurde von Jost Klasen unterbrochen. »Ich habe wichtige Neuigkeiten in Sachen Hirschfeld«, verkündete er freudestrahlend. »Ich habe eine Cousine von ihm gefunden und stellen Sie sich mal vor …«
    »Jetzt nicht, Klasen«, sagte Jakubian barsch.
    »Sie sollten es sich aber trotzdem anhören«, versuchte es Klasen noch einmal.
    »Später.«
    »Nein, nicht später. Jetzt. Es ist wichtig.«
    Barbara wunderte sich über die Courage des jungen Mannes. Er kam herein und machte die Tür kräftig zu. Jakubian war zu überrascht, um zu reagieren.
    »Ich konnte nicht umhin, mit anzuhören, worüber Sie gerade gesprochen haben«, sagte er. »Und deshalb müssen Sie sich das anhören, das wirft ein völlig anderes Licht auf Hirschfeld.«
    Barbara seufzte und sah Jakubian an, der nickte. Klasen hatte bisher ihre Geduld nie überstrapaziert, und er arbeitete gut. Wenn er es für wichtig hielt, dann konnte man davon ausgehen, dass es auch wichtig war. »Dann bitte.«
    »Und eine Cousine von Hirschfeld ist interessant?«, fragte Jakubian grimmig.
    »Und ob. Ehrlich gesagt, liegt es mir wie ein Stein im Magen.« Klasen hockte sich auf Heyers Schreibtisch. »Weil wir doch keine Nachbarn mehr finden konnten, die irgendwelche Angaben zu Hirschfelds Familie und Kindheit machen konnten, habe ich ein wenig Genealogie betrieben. Und ich bin fündig geworden. Er hat noch Angehörige, und zwar eine etwa gleichaltrige Cousine, die schon sehr lange in Aachen lebt. Ich habe sie gestern besucht.« Er machte eine bedeutungsvolle Pause, bis Jakubian ihn böse anblitzte.
    »Nun, er hat Frau Hielmann-Pross einen vom Pferd erzählt.«
    »Was?« Barbara war verwirrt.
    »Seine schreckliche Kindheit. Der prügelnde Vater, der seine Kinder dazu zwang, beim Schlachten zuzusehen. Die Mutter, die sich einfach ins Bett gelegt hat – all das.«
    Klasen weidete sich am Erstaunen der Kollegen. »Die Cousine ist absolut glaubwürdig, so eine grundehrliche und sehr helle Hausfrau. Dazu kommt, dass sie in derselben Siedlung wie Hirschfeld aufgewachsen ist, sie also engen Kontakt hatten. Er lebte in einer armen, aber intakten und liebevollen Familie. Seine Eltern sind erst Ende der 90er gestorben, das habe ich auch schon nachgeprüft. Die Frau bestätigte mir, dass Hirschfeld wie auch andere Kinder, darunter sie selbst, schon bei Hausschlachtungen zugesehen haben, aber immer freiwillig. Tiere gequält hat er ihres Wissens nie. Aber er war ein Einzelgänger, und die Neigung zum Voyeurismus hatte er wohl auch schon als Kind.«
    »Verdammt«, sagte Barbara. »Er hat mich zum Narren gehalten, mir die gängigen Forschungsergebnisse zur Kindheit von Serienmördern aufgetischt.«
    »Vielleicht glaubte er, eine solche Biografie gehöre einfach dazu«, meinte Klasen.
    »Nein«, sagte Jakubian. »Das kann nicht der Grund sein. Wichtig ist, er hat gelogen, und wir müssen herausfinden, wo er noch gelogen hat.«
    Er sah auf die Uhr. »Wir haben nicht mehr viel Zeit. Wenn wir ihn jetzt nicht mehr erwischen, Barbara, dann musst du heute noch nach Bedburg-Hau, egal, was die Ärzte sagen. Wir müssen Klarheit haben. Auch wegen der alten Fälle hier.«
    Sie sagten Heyer Bescheid, der ohnehin zum Gefängnis hatte kommen wollen. Er und Jakubian beabsichtigten, den Pressesprechern ein wenig zur Seite zu stehen. Sie fuhren los und parkten den Wagen in einiger Entfernung vom Gefängnis in der Innenstadt.
    Vor dem Tor herrschten tumultartige Zustände. Ein paar uniformierte Polizisten hatten Mühe, eine Gasse

Weitere Kostenlose Bücher