Blutlinie
vielleicht nie wieder sehen müsste. Ich meine, wenn man mal logisch darüber nachdachte: Personenschutz mag zwar heikel sein und derjenige musste schon eine gewisse körperliche Kraft aufweisen, aber eine besondere Bildung verlangte dieser Job nicht ab.
Entschuldigung an alle Bodyguards da draußen, die jeden Tag ihr Leben riskieren. Ich meine nicht Euch, ich bin nur wütend auf diesen Kerl hier!
Möglicherweise waren sogar meine Eltern auf dem Weg zu dem besagten Treffpunkt. Natürlich, so musste es sein. Dad hatte gesagt, dass er mir nichts sagen dürfte, und Brandon auch nicht, also gab es jemanden, der es morgen tun würde. Und gewiss waren Mom und Dad auch dort, wo auch immer das war. Ich könnte Brandon fragen, ob ich sie wieder sah, ob sie bei dem Gespräch dabei sein würden. Aber wie ich mich kannte, würde ich es nicht tun. Es war einfach zuviel gewesen, ich wollte nicht mehr mit ihm reden – heute nicht mehr.
Nachdem ich ausgiebig heiß geduscht und gründlich meine Zähne geputzt hatte, kam ich aus dem Bad und traf auf Blood, der vor der Tür gewartet hatte.
„Na, mein Junge“, sagte ich, was ihn veranlasste, mir die Hand zu lecken, mit der ich dann einen Angriff auf seinen Körper startete. Ich krabbelte und massierte ihn, er legte sich ergeben auf die Seite, schaute mich immer zwischendurch an und hob die Pfoten, damit ich ihn überall streicheln konnte.
Brandon hatte den Fernseher angeschaltet, saß im Schneidersitz auf seinem Bett, die Tagesdecke zurückgeschlagen und aß ein Stück Pizza.
Woher kam die denn auf einmal?
Er hatte wohl meinen überraschten Blick bemerkt.
„Ich habe die Pizza über den Manager bestellen lassen. Willst du?“
Er sprach leise, zeigte auf eine Schachtel, die auf meinem Bett lag. Mein Magen schlug Purzelbäume. Und ob ich wollte! Mir lief das Wasser im Mund zusammen, aber das würde ich ihm sicher nicht zeigen.
„Ich probiere mal“, erwiderte ich gleichmütig, zog mein Nachthemd zurecht, ging auf das Bett zu, schlug die Decke zurück und verkrümelte mich unter den flauschigen Stoff.
Ich öffnete den Pizzakarton, Dampf entwich, der köstlich nach Salami, Schinken und Käse roch.
„Champignons und extra Käse“, entschlüpfte es mir und ich verdrehte innerlich die Augen, weil er wusste, wie ich die Pizza mochte.
Dann bestand wirklich kein Zweifel mehr darin, dass er absolut alles über mich wusste.
Brandon sah zu mir herüber.
„Ich war mal bei Joey’s Pizza, während du dort mit deiner Freundin essen warst, dort habe ich gesehen, welche Pizza du dir ausgesucht hast.“
Hatte ich eine Erklärung verlangt? Ich glaubte ihm ohnehin nichts mehr, er musste sich also nicht die geringste Mühe geben. Fall abgeschlossen!
Blood setzte sich schwanzwedelnd vor mich hin, und ohne zu fragen, ob Brandon das recht wäre, zupfte ich ihm ein großzügiges Stück vom Käserand ab, pustete darauf herum und schmiss es ihm hin. Er fing es geschickt mit dem Maul, kaute fünf Sekunden, dann fixierten mich wieder seine Kirschenaugen. Ich lachte und verschluckte mich ein wenig an einem Stück Salami. Wie ein Tier einen aufmuntern konnte, wenn man mit so einem Arsch auf engstem Raum gefangen war, unglaublich!
Schweigend aßen wir auf, nebenbei liefen die Nachrichten. Ich schaffte alles, pickte sogar noch die Krümel aus dem angefetteten Karton auf, Blood hatte auch noch ein paar Stückchen bekommen. Durst überkam mich, und so stand ich auf, ging zum Tisch und nahm den Orangensaft aus der Tüte. Als ich mich trinkend umdrehte, traf ich auf Brandons Augen. Er setzte an, wollte etwas sagen, aber ich schüttelte vorsichtig den Kopf, damit ich den Saft nicht verschüttete und setzte die Flasche ab.
„Bitte, Brandon, heute nicht mehr. Es war ein verrückter Tag und es ist so viel auf mich eingestürzt, dass ich glaube, den Verstand zu verlieren. Kapierst du das eigentlich? Ich möchte meine Ruhe, ich bin müde und erschöpft, wütend, richtig geladen und ich schäme mich. Reicht das nicht für einen Tag?“
Meine Stimme brach. Er erwiderte nichts, nickte leicht. Ich ging zum Bett, legte mich hin und wollte nur noch schlafen.
Wäre es möglich, morgen früh aufzuwachen und alles nur geträumt zu haben? Wollte ich mein altes Leben wieder? Diese Sicherheit, die ich jahrelang mein Eigen genannt hatte? Oder war das nur der Fall gewesen, weil ich beschützt wurde, ohne es zu bemerken?
Die Ereignisse der letzten Stunden kreisten durch meinen Kopf, unaufhaltsam, veranstalteten ein
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