Blutlinien - Koeln Krimi
ein.«
»Nicht so voreilig. Du sollst sie mitnehmen, falls du heute Nacht alarmiert wirst. Soweit ich weiß, hast du doch Bereitschaft.« Maline schlüpfte in ihre Lederjacke und war aus der Tür, bevor Lou einen Kommentar abgeben konnte.
* * *
Die Hohenzollernbrücke ist ein markanter Ort, hier bin ich häufig anzutreffen. Einem guten Beobachter würde ich auffallen. Aber die Menschen achten nicht aufeinander, und so gehe ich im Strom der Masse unter. Dagegen habe ich selbstverständlich nichts einzuwenden.
Die Sonne verwöhnt uns, es ist zu warm für die Jahreszeit.
Die Stadt ist voll mit Radfahrern, Joggern, Familien und Touristen. Ich lehne am Geländer, mit dem Rücken zum Rhein, ungefähr in der Mitte der Brücke, und spüre das leichte Zittern des Stahlkolosses, wenn Züge darüberfahren.
Ruhig schwinge ich mich auf, kreise wie ein Greifvogel über dem Gewimmel und halte Ausschau nach Personen, die widerrechtlich auf der Linie gehen.
Lange muss ich nicht warten. An diesem Ort bringen Menschen Schlösser an, kleine Dinger, mit denen man einen Spind verschließt oder den Schuppen hinter dem Haus. Die dazugehörigen Schlüssel werfen sie in den Rhein, das soll romantisch sein. Ich finde es albern. Sentimentalitäten sind nicht mein Ding. Vielleicht, weil die meisten Lieben vergänglich sind, jedenfalls in meiner Realität.
Jetzt sehe ich welche heranschlendern, sie lösen sich aus dem Pulk. Es ist, als liefen sie unter einer Glocke, im Zeitraffer, rothalsige Geier zwischen schneeweißen Schwänen. Sie suchen eine passende Stelle am Brückengitter, und wie immer dauert diese simple Angelegenheit unendlich lang.
Ich wende mich ab, spüre Wut in mir aufkeimen, kralle mich am Brückengeländer fest und schlage meine Augen in Kähne, die sich voll beladen den Rhein aufwärtsquälen.
Zwanzig Minuten dauert die elende Platzsuche. Danach läuft alles ab wie unzählige Male zuvor. Schloss anbringen, ans Geländer treten und gemeinsam den Schlüssel in den Fluss werfen. Sekt aus mitgebrachten Plastikgläsern trinken. Geflüsterte Treueschwüre, gefolgt von Küssen.
Ich kann es kaum erwarten, dass sie abziehen. Als sie sich endlich trollen, hole ich meinen Notizblock aus dem Rucksack und übertrage die exakte Stelle des Schlosses auf das Raster, das ich eigens für diesen Beobachtungsposten entworfen habe. Dann trete ich an das Schloss, entziffere die Inschrift und notiere sie. Beinahe siebzig Schlösser habe ich auf diese Weise schon festgehalten. Das erspart mir später beim »Reinigen« Zeit, denn ich lasse nicht zu, dass diese Schlösser hängen bleiben. Ich gebiete der schleichenden Unterwanderung Einhalt.
Neulich habe ich, nur so zum Spaß, die Markierungen auf meinem Block durch Linien verbunden. Ein riesiges geschlossenes Auge wurde sichtbar. Das wunderte mich überhaupt nicht, es ist ein altes Todessymbol und passt meiner Meinung nach hervorragend, denn ich bringe den Tod.
Ich schlendere von der Brücke, will niemanden mehr sehen und bin froh, als ich endlich die Tür zu meiner Wohnung aufschließe. Huhn, Reis und Erbsen. Mikrowellenessen. Während ich kaue, starre ich in den Fernseher, bis mir langweilig wird. In gewisser Weise war der Tag nicht befriedigend, ich fühle mich unausgeglichen. Schleiche ruhelos durch die Wohnung, tigere von einer Wand zur nächsten. Elf Schritte hin und elf zurück.
Es ist längst noch nicht dunkel, als ich mich entscheide, noch einmal loszuziehen. Die Frage ist nur, ob ich diesmal einen gezielten Besuch abstatte oder lieber auf einer Linie patrouilliere.
Irgendwie ist mir nach einer S-Bahn-Fahrt, die Entscheidung fühlt sich richtig an. Es ist verhältnismäßig früh. Langsam schlendere ich zum Hauptbahnhof, habe es nicht eilig und blicke gedankenverloren in Schaufenster, speichere Auslagen und Preise. Meine Fingerkuppen berühren das Jagdmesser in meiner Jacke. Beruhigend liegt es in meiner Hand, während ich den Eigelstein entlangflaniere.
Köln-Kalk, Polizeipräsidium, Walter-Pauli-Ring
»Und warum werden sie aufgehoben und nicht an die Partnerin der Toten zurückgegeben?«, fragte Chiara, nachdem sie Karina Marcks’ Kleidung beim Erkennungsdienst abgegeben hatten. »Die Sachen sind doch spurentechnisch abgearbeitet.«
»Weil es sein kann, dass es in ferner Zukunft neue, bessere Methoden gibt, um Täter zu überführen«, sagte Maline geduldig. »Stell dir nur vor, welchen Quantensprung uns die DNA -Analyse gebracht hat.«
Chiara schrieb Malines Antwort auf
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