Blutlinien - Koeln Krimi
blickte Elmar Wissing Lou geradewegs ins Gesicht. »Ich weiß nicht mehr, was ich gestern gesagt oder getan habe, aber ohne meinen Anwalt läuft hier gar nichts mehr.«
Lou lehnte sich zurück und tippte auf die Unterlagen. »Sie haben einen Prozess gegen Frau Dr. Marcks geführt und verloren. Sie …«
»Die Stümperin hat meinen Jungen auf dem Gewissen!«, schrie Wissing und sprang vom Stuhl.
Lou und Maline schnellten ebenfalls hoch.
»Setzen Sie sich!«, befahl Lou. »Sofort!«
Wissing zögerte, ließ sich dann schwer auf seinen Stuhl fallen. »Sie hat unseren Kleinen auf dem Gewissen, er ist auf ihrem Operationstisch gestorben. Und jetzt will sie nicht einmal dafür geradestehen.«
»Sie ist freigesprochen worden«, sagte Lou, deutete auf eine Akte, die vor ihr auf dem Tisch lag, und setzte sich ebenfalls.
»Ja, weil Justitia eben nicht blind ist«, ereiferte sich Wissing. »Gegen die Weißkittel hat unsereins doch keine Chance! Verdammt noch mal, der Kleine war erst elf Monate alt!«
»Das tut uns sehr leid, wirklich. Aber es ist aktenkundig, dass Sie gedroht haben, Frau Marcks etwas anzutun.« Lou schlug den Ordner auf. »Wörtlich heißt es hier: ›Meine Frau und ich werden nicht ruhen, bis die Schuldigen ihre gerechte Strafe bekommen haben. Allen voran Frau Doktor Marcks, die werde ich kaltmachen.‹«
Wissing verschränkte die Arme vor dem Bauch. »Ich habe damals einiges gesagt, du meine Güte. Mein Sohn ist tot! Gestorben bei einer sogenannten Routineoperation!«
Wissings Schicksal berührte Lou, aber sie musste sich professionell verhalten. Sie hatte einen Mord aufzuklären. »Zweimal haben Sie Dr. Marcks nach der Verhandlung vor der Kinderklinik aufgelauert, vor einem Jahr hat Frau Marcks eine einstweilige Verfügung gegen Sie erwirkt.«
»Und ich habe sie seitdem in Ruhe gelassen!«
»Mag sein«, sagte Lou. »Herr Wissing. Frau Dr. Marcks ist tot. Sie sind dringend der Tat verdächtig, und wie ich Ihnen schon sagte, haben Sie das Recht, die Aussage zu verweigern, bevor Sie sich selbst belasten.«
»Ich war’s nicht.« Wissing zeigte sich unbeeindruckt und wirkte auf einmal ganz klar. »Für welchen Tag brauche ich ein Alibi? Los, sagen Sie schon!«
Lou nannte ihm den Zeitraum.
»Ich toure zurzeit an den Wochenenden mit meiner Band, und am Sonntag hatten wir einen Auftritt im ›Klimperkasten‹«, sagte Wissing wie auswendig gelernt. »Jazz, den ganzen Abend und die halbe Nacht. Ich war dicht wie zehn Matrosen und habe bei einem Kumpel auf dem Sofa übernachtet. Dafür gibt es mindestens drei Zeugen.« Er nannte mehrere Namen.
»Wir werden Ihre Angaben überprüfen«, sagte Lou. »Das kann ein bisschen dauern, denn wir müssen den zuständigen Staatsanwalt erreichen und uns mit ihm besprechen. Sie bleiben also noch einen Moment bei uns.«
»Ich will aber nicht wieder in diese Zelle«, rief Wissing.
»Es tut mir leid«, sagte Lou, »das kann ich Ihnen leider nicht ersparen.«
»Was für ein merkwürdiger Zufall, dass er ausgerechnet einen Tag nach dem Tod von Frau Marcks auftaucht und behauptet, sie getötet zu haben«, sagte Maline, als sie wieder in ihrem Büro saßen. »Ich bin gespannt, was seine Zeugen aussagen.«
»Die Haftgründe werden nicht ausreichen«, sagte Lou. »Er hat mit Sicherheit ein Alibi, er ist in Köln gemeldet, geht einer geregelten Arbeit nach, und seine Frau hat angerufen, sie ist zurück und kommt gleich ins Präsidium. Die beiden tun mir leid. Es muss schrecklich sein, sein Kind auf diese Weise zu verlieren.«
»Ich glaube auch nicht, dass er Karina Marcks umgebracht hat«, sagte Maline und ließ die Alu-Jalousie ein Stück herunter, weil die Sonne sie blendete. »Ist nur so ein Bauchgefühl.«
Lou schrieb Vermerke, während Maline ihren Rucksack nahm und zur Tür ging. »Ich fahre mit Chiara noch mal zur Rechtsmedizin. Wir müssen die Kleidung von Karina Marcks sicherstellen und zum ED bringen.«
»Chiara?«, fragte Lou. »Wer ist das denn?«
»Die Praktikantin, die Tom uns aufs Auge gedrückt hat. Ich musste sie gestern Nachmittag auch schon mit zur Anhörung von Herrn Cordes nehmen, der übrigens gar nichts zur Klärung beitragen kann.«
»Das habe ich auch nicht wirklich erwartet«, sagte Lou.
»Wir sollen Chiara in den Fall einbinden.« Maline verzog das Gesicht. »Damit sie sich auf unserer Dienststelle nicht zu Tode langweilt. Immer lustig, unser Tom.«
»Das hat uns gerade noch gefehlt«, schnaufte Lou. »Dann binde du mal schön
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