Blutlinien - Koeln Krimi
einen Notizzettel. »Ich gehe eine Runde um den Block«, sagte sie anschließend. »Soll ich euch etwas von der Kalker Hauptstraße mitbringen?«
Die Kolleginnen verneinten. Maline ließ sich auf ihren Bürostuhl fallen und streckte die Beine aus.
»Wir haben einen Zeugen«, sagte Lou, »der in der Mordnacht jemanden gesehen haben will, der am Niehler Damm, ungefähr auf der Höhe des Hauses der Eheleute Cordes, eine Steintreppe zum Rhein hinuntergegangen ist.«
Maline verschränkte die Arme hinter dem Kopf. »Kann er die Person beschreiben?«
»Ungefähr einen Meter achtzig groß oder größer, schlank. Auffälligkeiten: keine«, leierte Lou die Personenbeschreibung runter. »Ich frage mich, was der Täter, vorausgesetzt, es handelt sich um ihn, am Rhein zu suchen hatte. Egal ob vor oder nach der Tat.«
»Wieso? Es gibt Täter, die sich gerne in der Nähe des Tatorts aufhalten. Das gibt ihnen einen besonderen Kick.«
»Schon klar.« Lou biss in ein Butterhörnchen, das sie am Morgen aus Hannas Bäckerei mitgenommen hatte. »Ich kenne Niehl ganz gut. Der Niehler Damm wird zum Rhein hin von einer Mauer begrenzt, es gibt keine Promenade, kein Ufer. Immer mal wieder führen schmale bemooste Steinstufen quasi in den Fluss hinab. Von diesen Treppen aus hast du die Straße nicht im Blick. Als Beobachtungsposten kommen sie nicht in Frage, jedenfalls nicht, wenn du vorhast, jemandem auf dem Niehler Damm aufzulauern.«
»Es kann doch sein, dass er sich da unten gesäubert hat. Immerhin hat er ein ziemliches Blutbad angerichtet und dürfte dementsprechend ausgesehen haben.«
»Wenn ich der Mörder wäre, würde ich zusehen, dass ich Land gewinne, und mir sicher nicht in aller Seelenruhe in unmittelbarer Nähe zum Tatort die Hände waschen.«
»Täter ticken eben anders«, sagte Maline, legte den Kopf in den Nacken und ließ die Schultern kreisen. »Vielleicht hat er eine neugierige Partnerin, die ihm auflauert, wenn er nach Hause kommt. Dann ist es klug, sämtliche Spuren zu verwischen.«
Lous Handy vibrierte. »Meine Mutter und ihre Freundinnen ruhen sich heute in Portomarin aus und trinken gerade Cappuccino im Schatten der Kirche San Juan.« Sie nahm ein weiteres Hörnchen aus der Tüte und biss hinein. »Ich wäre jetzt auch gern in Spanien.«
Als das Telefon klingelte, meldete der Pförtner Herrn Marcks an.
»Anscheinend ist ihm noch etwas eingefallen.« Lou stand auf. »Ich hole ihn unten ab. Versuch du doch, deine Praktikantin zu erreichen. Sie will sicher bei dem Gespräch dabei sein.«
Thomas Marcks lockerte seine Krawatte. »Ich weiß nicht … ich will natürlich keine falschen Verdächtigungen …«
Maline musterte ihn heute mit Ruhe. Klare Gesichtszüge. Ein trainierter Körper. Dichtes dunkles Haar. Den Schlips hatte er locker gebunden, und er roch unaufdringlich nach teurem Rasierwasser. Marcks war ohne Zweifel ein Frauentyp, und Maline fragte sich, wie gut so ein Mann damit zurechtkam, wenn er wegen einer Frau verlassen wurde.
Chiara saß neben Lou, kaute Kaugummi und schrieb fleißig in ihr Notizheft. Maline fiel auf, wie dünn sie war. Pulli und Jeans schlackerten um den Körper.
»Vor über einem Jahr«, begann Marcks, »da ist ein kleiner Junge auf Karinas Operationstisch gestorben. Tragische Geschichte, natürlich. Die Eltern des Kleinen haben meine Frau und die Kinderklinik verklagt und …«
»Entschuldigung, wenn ich Sie unterbreche«, sagte Maline, »aber diesen Hinweis haben wir schon erhalten und sind ihm bereits nachgegangen.«
»Wirklich?«
»Wir haben gestern Elise Ackermann kennengelernt. Warum haben Sie uns nicht gleich gesagt, dass Ihre ehemalige Partnerin mit einer Frau zusammenlebte?«
»Das habe ich doch.«
»Sie haben uns lediglich die Adresse genannt.«
Marcks drehte den Kopf, sah aus dem Fenster und blinzelte gegen die Sonne.
»Kann es sein, dass Sie mit der Trennung nicht zurechtgekommen sind?«
»Wie kommen Sie denn darauf?«
»Warum antworten Sie ausweichend?«
»Karina und ich waren sehr glücklich.«
»Auch das ist keine Antwort auf meine Frage. Herr Marcks, hatten Sie ein Problem mit der Trennung?«
»Nein. Ja. Natürlich war das ein Schock. Aber ich bin klargekommen. Worauf wollen Sie hinaus?«
»Uns ist aufgefallen, dass Sie Frau Dr. Marcks immer noch als ›Ihre Frau‹ bezeichnen und nicht als ehemalige Partnerin.«
»Wir waren ja auch noch nicht geschieden!«, rechtfertigte er sich und fuhr sich über seinen Dreitagebart. »Ich habe Karina geliebt,
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