Blutlinien - Koeln Krimi
es leider nicht. Die Faseranalyse des LKA war auch nicht ergiebig, es scheint, als hätte der Täter in gewisser Weise steril gearbeitet, was mir einfach unbegreiflich ist.«
»Mir auch«, sagte Lou. »Es muss doch irgendeine Spur geben: Haare, Fasern …«
»Wir haben nichts, wobei die Fingernagelanalyse noch auf sich warten lässt, aber da Frau Marcks keine Abwehrspuren hat, mache ich mir keine großen Hoffnungen.« Ben klappte seine Aufzeichnungen zu. »Meine Zwillinge haben heute Geburtstag. Ich würde gerne nach Hause fahren und schlage vor, dass wir jetzt Schluss machen. Morgen gehen wir in aller Frühe wieder an die Arbeit. Wir müssen einfach noch einmal von vorne anfangen, akribisch jeden Stein umdrehen.«
»Ich liege heute früh im Bett«, sagte Maline, als sie wenig später gemeinsam mit Lou zum Parkhaus ging.
Auf dem Walter-Pauli-Ring hielt ein Auto mit quietschenden Reifen. Die Kommissarinnen drehten sich um. Chiara stieg in einen Sportwagen, küsste den Fahrer und winkte zum Abschied.
»Kein Wort jetzt«, sagte Maline lachend und hielt Lou die schwere Eisentür auf, die zum Aufgang der Parkdecks führte.
»Ich sag doch gar nichts.« Gemeinsam nahmen sie die Stufen bis zum vierten Stock. »Was machst du heute Abend?«, fragte Lou.
»Ich fahre gleich kurz ins Pflegeheim zu meinem Vater, und dann lasse ich mich von Charlie bekochen.«
»Du hast es gut, ich kann nur hoffen, dass es ruhig bleibt. Ein weiterer Fall während meiner Bereitschaft würde mir gerade noch fehlen.«
Köln, S 13 Richtung Flughafen
Marilyn drückte sich in den Plastiksitz, während immer mehr Menschen die S-Bahn bestiegen. Cesare hatte ein Ticket für die Neunzehn-Uhr-Maschine von Köln nach Treviso, und wie immer begleitete Marilyn ihn zum Flughafen. Viermal im Jahr besuchte Cesare seine Schwester in Venedig.
Drei Ehemänner hatte Gabriella unter die Erde gebracht, sie lagen allesamt auf Venedigs Friedhofsinsel San Michele. Und mit jedem toten Mann hatte sich Gabriellas Vermögen vermehrt. Sie schwamm buchstäblich im Geld. Aber obwohl Cesare ihr einziger naher Verwandter war, hockte sie auf ihrem Vermögen. Um jeden Cent ließ sie ihren Bruder betteln und rückte höchstens lächerliche Summen heraus, die sie dann auch noch an ungeheuerliche Bedingungen knüpfte, die Cesare ihr zugestand und niemals einhielt.
Gabriellas Geiz war ein Problem. Ein weiteres hing mit ihrer Frömmigkeit zusammen. Egal wie klein das Vergehen auch sein mochte: Gabriella stellte jedem das Fegefeuer in Aussicht. Aus ihrer Sicht erwarteten Marilyn und Cesare die ewige Verdammnis, und sie machte kein Hehl daraus, dass ihr diese Strafe noch zu mild erschien. Sie erschien Marilyn nicht nur konservativ, sondern uralt, obwohl sie erst fünfzig wurde und somit nur unwesentlich älter war als Cesare.
Die Wände in ihrem dunklen engen Haus in der Calle de Forno waren mit Heiligenbildern und Holzkreuzen übersät. Wenn Cesare sie besuchte, rannte sie unermüdlich hinter ihm her, besprenkelte ihn mit Weihwasser, rief den heiligen Vito, Schutzpatron der Geisteskranken, um Beistand und erflehte die Genesung ihres jüngeren Bruders. Sie hielt Cesare für verrückt, eine andere Erklärung fand sie nicht für seinen Lebensstil.
Manchmal erschien sie in der Nacht neben seinem Bett und riss ihn aus dem Schlaf. Gabriella war schon bei Tageslicht nicht besonders ansehnlich. Aber nachts, im fahlen Licht einer Kerze, wenn sie sich mit dem Rosenkranz in der Hand über ihn beugte und »Peccatore, svegliaTi! Tu non hai nessun diritto di dormire. PentiTi, che sei una malatia. Peggio ancora: Mi fai vomitare« kreischte, konnte man das Gefühl haben, tatsächlich im Vorhof der Hölle gelandet zu sein.
Marilyn hatte solche Situationen erlebt und nicht nur einmal befürchtet, dass Gabriella ihnen eines Nachts die Kehle durchschneiden oder Gift in ihre unwiderstehlichen Spaghetti vongole mischen würde. Trotzdem hatte sich Marilyn immer wieder in das Haus der Verrückten begeben. Cesare zuliebe und natürlich auch, weil jemand auf ihn achten musste. Zudem war Gabriella der einzige Mensch auf der Welt, den sie um Geld bitten konnten. Eine peinliche und zugleich erniedrigende Tatsache, zu der es keine Alternative gab. Seit Jahren verliefen diese Reisen also nach einem bestimmten zermürbenden Ritual.
Seit einiger Zeit flog Cesare jedoch allein nach Venedig. Konfrontationen mit Gabriella stand Marilyn einfach nicht mehr durch. Doch die Sorge um Cesare war groß, wenn er sich
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